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Auf dem Charles River, der zwischen Boston und Cambridge verläuft, ehe er im Hafen von Boston in den Atlantik mündet, geht es im Training noch recht beschaulich zu. Am Wochenende wird es sich ordentlich abspielen. Da bevölkern bis zu 300.000 Menschen die Ufer und Brücken.

Foto: AP/Amendola

Wien/Boston - Schnurstracks vom Start zum exakt 2000 Meter entfernten Ziel, stets stur nebeneinander her. So geht Rudern. Besser gesagt, meistens geht Rudern so. Denn in Boston, bei der, an Teilnehmern und Zusehern gemessen, größten Regatta der Welt, geht Rudern etwas anders. Am Samstag und Sonntag findet die "Head of the Charles Regatta", kurz HOCR, zum 50. Mal statt. Mehr als 10.000 Ruderinnen und Ruderer werden sich ins Zeug legen, mehr als 300.000 Zuseherinnen und Zuseher die Ufer und die sieben Brücken zwischen Start und Ziel bevölkern.

Dass als Nation mit großer Rudertradition auch Österreich in Boston vertreten ist, versteht sich von selbst. Der ewige Raimund Haberl (65), der sich in Boston schon in eine Siegerliste eintrug (2007), tritt wieder an. Verbandspräsident Horst Nussbaumer bildet mit Bernd Wakolbinger, Raphael Hartl, Christoph Engel sowie mit befreundeten Kanadiern und Juri Jaanson, dem zweimaligen Olympiazweiten aus Estland, einen Achter. Die Brüder Bernhard und Paul Sieber tun sich mit drei anderen leichten Doppelzweiern aus diversen Nationen zu einem weiteren Achter zusammen. Auch Magdalena Lobnig sitzt mit sieben anderen Einer-Ruderinnen aus sieben Nationen in einem sehr internationalen Boot.

"Head Of The Charles: The Story of the First 50 Years." Der Trailer zum Film.

Der "Head of the Charles", der beim Boston University Boathouse beginnt und beim Artesani Park an der Soldier's Field Road endet, ist in 55 Kategorien unterteilt. Gerudert wird in diversen Bootsklassen (Einer, Zweier, Vierer, Achter), diversen Altersklassen, meistens nach Geschlechtern getrennt, ab und zu aber auch mixed. Nussbaumer und Co beispielsweise sind in der Kategorie "Men's Master Eights (40+)" unterwegs. Bei der Anmeldung hatten sie die Erfolge ihrer Besatzung aufzulisten, herausgekommen sind immerhin zwei Olympia-, acht WM- und 45 Weltcup-Medaillen.

Überholen ist schwierig

Nebeneinander zu rudern, das wäre ein Ding der Unmöglichkeit. In den Bewerben sind bis zu fünfzig Boote gemeldet, und die 4800 Meter lange Strecke auf dem Charles River verläuft alles andere denn gerade. Also starten die Boote einzeln in Abständen von 15 Sekunden. Nicht selten kommt es zu heiklen Überholmanövern. Nussbaumer erinnert sich ans Vorjahr, an seine erste Teilnahme in Boston. "Wir hatten eine schlechte, hintere Startnummer, mussten einige Boote überholen. Das hat viel Kraft und wohl auch Zeit gekostet." Heuer, mit Startnummer fünf, rechne er sich Chancen auf eine gute Platzierung aus. Das Boot stellt ein befreundeter US-Amerikaner zur Verfügung, die Bezahlung wird, wie Nussbaumer sagt, in Form einiger Flaschen guten österreichischen Weines erfolgen.

Rudern ist ein studentischer Sport, auch die Umgebung der recht elitären HOCR deutet darauf hin, dort sind einige Colleges und Universitäten angesiedelt, allen voran Harvard und das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Natürlich werden sich die Rudererinnen und Ruderer am Samstagabend zu einer großen Gala treffen, und natürlich wird Nussbaumer dort mit einem Blazer antanzen.

"Wir Alten", sagt der 43-Jährige, "freuen uns wahnsinnig, wenn wir dort in einem Boot sitzen. Da fühlen wir uns wieder jung." Eine Zeitlang zumindest. Die Siegerzeiten hängen von Wind und Strömung ab, sie liegen bei 15 bis 17 Minuten - eine für Ruderer ungewohnt lange Belastung. "Aber jetzt sind wir schon einmal in Boston und bei der Jubiläumsregatta", sagt Horst Nussbaumer. "Da werden wir uns halt eine Viertelstunde lang zusammenreißen." (Fritz Neumann, DER STANDARD, 17.10.2014)