Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Angesichts der immer neuen Wendungen, die die Causa OMV nimmt, ist es das, was man sich wünscht. Immer dann, wenn man meint, den Höhepunkt an Hilflosigkeit gesehen zu haben, wird man eines Besseren belehrt. Es geht immer noch schlimmer.

Jüngstes Beispiel: Die Aufsichtsratssitzung der OMV unter Leitung von Rudolf Kemler. Der Chef der Staatsholding ÖIAG, die für die Republik 31,5 Prozent an Österreichs größtem Industriekonzern hält, war schon beim Telekom-Deal mit América Móvil überfordert. Bei der OMV gab er ein Trauerspiel. Die Sitzung des Aufsichtsrats war für Dienstag dieser Woche angesetzt. Die Sitzung fand auch statt. Allein - die Beschlüsse waren völlig anders als jene, die die ÖIAG zuvor in kleiner Runde (Präsidium) getroffen hatte. David Davies, Finanzchef seit 2002 und stellvertretender Generaldirektor der OMV seit 2011, sollte an die Spitze rücken, war durchgesickert. Er sollte Anlegern wie Mitarbeitern der OMV endlich wieder Halt geben.

Es kam bekanntlich anders. Der OMV-Aufsichtsrat ließ den mit Ipic, dem arabischen Staatsfonds, syndizierten wichtigsten Aktionär regelrecht auflaufen. Roiss bleibt bis Mitte 2015, ein Personalsucher soll inzwischen einen geeigneten Nachfolger finden. Als ob Wunderwuzzis, die sich in dem Intrigantenstadel bewegen können, nur darauf warteten, gerufen zu werden. Professionelle Vorbereitung sieht anders aus. Dilettantismus gibt es meistens gratis, hochbezahlte Manager sollten sich auf Steuerzahlers Kosten nicht darin versuchen.

Alle leiden unter den Vorgängen: die Mitarbeiter der OMV ebenso wie die Steuerzahler. Doppelt blöd ist es für jene, die auch noch Aktien der OMV gekauft haben. Die werden seit Monaten durch saftige Kursverluste bestraft. Seit Sommer, als der Streit im OMV-Turm nach außen gedrungen ist, hat der Konzern mindestens drei Milliarden an Wert eingebüßt. Das ist schlimm genug. Verschlimmert wird das Avanti-Dilettanti-Spiel durch die Situation auf den Weltmärkten.

Nicht nur bei Gas, dort aber schon länger, brechen die Einnahmen weg. Nun kommt auch noch der Absturz der Ölpreise hinzu. Die für Europa maßgebliche Nordseesorte Brent hat erst kürzlich ein Vierjahrestief mit Notierungen unter 90 Dollar je Fass zu je 159 Liter verzeichnet - beredter Ausdruck, dass die Konjunktur, insbesondere in Europa, wohl noch längere Zeit brustschwach bleiben wird.

Über tiefe Ölpreise können sich vorderhand zwar Autofahrer freuen, die für Diesel und Benzin weniger zahlen müssen. Für die OMV hingegen - und über die Staatsbeteiligung natürlich auch wieder die Steuerzahler - ist es ein Jammer: Jeder Dollar weniger reißt ein größeres Loch ins Ergebnis des Mineralölkonzerns. Es wäre höchst an der Zeit, dass sich das Management wieder primär mit den Veränderungen am Markt beschäftigt und geeignete Strategien ausheckt, die zahlreichen Schlaglöcher möglichst unbeschadet zu nehmen. Allein - es deutet wenig darauf hin. Weil Roiss erst Ende Juni gehen soll, dürfte der Konzern bis dahin in Schockstarre verharren.

Es stimmt, die Verwerfungen am Markt treffen auch andere Energiekonzerne. Nur - die haben durchwegs ein Management am Werken, das nicht primär mit sich selbst beschäftigt ist. So gesehen kann man das Vorgehen der ÖIAG in der Causa OMV nicht anders bezeichnen als grob fahrlässig. (Günther Strobl, DER STANDARD, 16.10.2014)