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Andy Murray will in Wien Punkte für London sammeln.

Foto: APA/ Hochmuth

Wien - Andy Murray schaut in Wien nicht einfach nur vorbei. Er zelebriert seinen Besuch richtiggehend: Sightseeing, Streifzug durch die Innenstadt, eine Sachertorte hat er sich im gleichnamigen Kaffeehaus auch genehmigt. "Eine großartige Stadt, ein tolles Tennisturnier. Ich bin motiviert", sagt der Schotte, der zum ersten Mal in der Stadthalle aufschlägt.

Geplant war Murrays Kommen freilich nicht. Der Weltranglisten-Elfte braucht nach einer schwächeren Saison aber dringend Punkte, um sich für das Masters der besten Acht in London (9. bis 16. November) zu qualifizieren, das er bis 2012 fünfmal en suite erreichte. Im Vorjahr war er verletzt. Murray hat vor wenigen Wochen in Shenzhen seinen ersten Turniersieg seit Wimbledon 2013 gefeiert. So etwas nennt man eine Durststrecke. Bei den Erste Bank Open ist er als Nummer zwei hinter dem Spanier David Ferrer gesetzt.

Wien soll also die Wende bringen für Murray, bei dem sich der Trainereffekt noch nicht wirklich einstellen will. Nach der Trennung von Ivan Lendl, unter dem Murray physisch merklich erstarkte und als erster Brite seit 77 Jahren und Fred Perry Wimbledon gewann, engagierte er die Französin Amelie Mauresmo.

Seine DNA werde sich nicht drastisch ändern, sagte die ehemalige Nummer eins im Damentennis zum Start der Zusammenarbeit. Das heißt: Weiterhin retournieren wie eine Gummiwand, dafür soll aber mehr Fokus auf härtere und für den Gegner unerreichbare Angriffsschläge gelegt werden - eine bisherige Schwäche Murrays. Lapidar reagiert dieser wiederum auf eine aufflammende Geschlechterdebatte: "Wenn es nicht funktioniert, hat es nicht damit zu tun, dass sie eine Frau ist."

Schlimmes Kindheitserlebnis

Der 27-Jährige hat Erfahrung mit weiblichen Bezugspersonen. Seine erste Trainerin war Mutter Judy, die selbst ins Profitennis hineinschnupperte. Als Teenager flüchtete er aus Schottland in eine Tennisakademie nach Barcelona, nachdem sein Bruder Jamie in seiner Heimat lange Zeit sein einzig brauchbarer Trainingspartner gewesen war. Mit ihm verbindet Murray auch ein schreckliches Erlebnis seiner Kindheit: Als Volksschüler versteckten sich Andy und Jamie am 13. März 1996 in einem Klassenzimmer, als ein Amokläufer in einer Schule im schottischen Dunblane 16 Kinder, einen Lehrer und anschließend sich selbst tötete. Andy Murray war damals acht Jahre alt, das wäre sein "Glück" gewesen. Er "konnte vergessen".

Mittlerweile hält Murray, der sich auch Olympiasieger nennen darf, bei 29 ATP-Titeln. Nummer 30 soll natürlich in Wien folgen. Bei seinem ersten Auftritt trifft er im Achtelfinale heute auf Vasek Pospisil. Gegen den Kanadier hat Murray noch nie gespielt. "Ein starker Gegner mit einem gefährlichen Aufschlag. Wenige Punkte werden entscheiden." Pospisil hat bei seinem Erstrundensieg gegen den Deutschen Daniel Brands 29 Asse serviert.

Denkt man die Geschichte logisch weiter, würde im Finale David Ferrer warten. Im Rennen um die Top acht bzw. die Teilnahme am Masters trennen die beiden im ATP Champions Race auf den Plätzen neun (Ferrer) und zehn (Murray) liegenden nur 60 Zähler. Was Murray eigentlich von Österreichs Nummer eins, Dominic Thiem, hält? "Er ist für sein Alter bereits sehr weit, bleibt selbstkritisch. Wenn er hart arbeitet, kann er sein großes Potenzial ausschöpfen." Seine eigenen Chancen für eine Masters-Quali sieht Murray realistisch: "Ich will in Wien gewinnen. Wenn ich es nicht schaffe, habe ich es nicht verdient." (Florian Vetter, DER STANDARD, 16.10.2014)