Für das Doku-Projekt "Kathedralen der Kultur" hat Michael Glawogger die Russische Nationalbibliothek in St. Petersburg filmisch porträtiert.

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Wien - Dass die Wände Ohren haben, das hat man schon gehört. Im Dokumentarfilm Kathedralen der Kultur haben Gebäude jetzt auch eine Stimme. Und es soll sich, dem Konzept folgend, um ihre Seele handeln, die da spricht. In Wim Wenders' Eröffnungsepisode über die Berliner Philharmonie von Hans Scharoun scheint es eine rastlose Seele zu sein, die da durchs Gebäude eilt. Immer in Bewegung, finden auch die Augen beim Zuschauen keine Ruhe. Dann wird noch "mein Architekt" wieder lebendig - ein ärgerlicher Edelkitsch.

Michael Glawogger ist all dem in seiner letzten vollendeten Arbeit geschickt ausgewichen. Er lässt die Off-Stimme in seinem Beitrag über die Russische Nationalbibliothek in St. Petersburg schlicht aus Werken russischer Dichter vortragen. Das verdichtete Gebäudeinnere kommt der 3-D-Technik stärker entgegen als Scharouns offene Räume: Die Magazine mit ihren steilen Holzregalen, mit Batterien von Karteikästen wirken wie aus einer anderen Zeit. Man meint, den Staub zu atmen, die aufspringenden, dicken Bände greifen zu können - da geht es zurück in den properen Lesesaal und hinein in einen E-Book-Reader. Am Ende findet man sich wieder in der Unterführung hinauf zum Newski-Prospekt. Der Film würde auch als Loop gut funktionieren.

Kathedralen der Kultur besteht aus insgesamt sechs solchen Porträts von Gebäuden, die zusammen einen rund zweieinhalbstündigen Kinofilm ergeben. Initiiert und produziert hat das Projekt Wim Wenders. Eingeladen hat er auch den Dänen Michael Madsen (Into Eternity). Dessen "Kathedrale" ist das norwegische Halden-Gefängnis, das nach Plänen des dänischen Büros EMA errichtet und 2010 eröffnet wurde.

Madsen - der wie Glawogger mit Kameramann Wolfgang Thaler gearbeitet hat - erweitert seine Betrachtung des Areals zu einer kleinen Reflexion des Strafvollzugs. Die Frauenstimme, die hier die unterschiedlichsten Räume besetzt, klingt widerborstig - nach einer sehr weltzugewandten Seele. Aus dem Text und kleinen Inszenierungen rund um Abläufe und Personen entsteht interessante Spannung.

Gefällige Image-Filme

Die übrigen Beiträge sind mehr oder weniger Image-Filme. Kameramann Ed Lachman erfasst Louis I. Kahns ebenso imposantes wie einladendes Salk Institute an der kalifornischen Küste zwar visuell stimmig. Aber auch in diesem von Robert Redford inszenierten Filmteil kommen die Stimmen den Bildern letztlich in die Quere. Gerade Porträts von modernen Gebäuden wie diesem gibt es nicht wenige und viele sehr viel bessere. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 16.10.2014)