Oliver Johnson alias Dorian Concept veröffentlicht am Wochenende sein neues Album "Joined Ends".

Fotos: Lukas Gansterer

Der derzeit international gefragteste österreichische Musiker ist zwar gerade 30 Jahre alt geworden. Dennoch wirkt er abseits der Bühne eher so, als ob er gerade die Matura gemacht hätte und nun der Welt da draußen noch etwas unsicher gegenübertritt. Oliver Johnson aus Wien bereist nach fünfjähriger Albumpause gerade wieder den Globus unter seinem Künstlernamen Dorian Concept. Sein neues Album Joined Ends erscheint dieses Wochenende beim altehrwürdigen Londoner Renommier-Label Ninja Tune. In London, Paris, New York und in Japan sind sie ganz närrisch auf Dorian Concept. Mit kleinem, mehr einem Spielzeug denn einem seriösen Instrument gleichendem Mini-Korg-Synthesizer wurde er dank Youtube vor sechs, sieben Jahren bekannt. Live wird der Mann zum Berserker und bringt als einköpfige Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb den Synthesizer virtuos an seine absoluten Belastbarkeitsgrenzen.

Die auf dem Computer generierte Free-Jazz-Improvisation und Kurze-Aufmerksamkeitsspanne-Maxi-Single Maximized Minimalization von 2008 und ein Jahr darauf das Album When Planets Explode machten Dorian Concept zu einem der gefragtesten jüngeren Elektronikmusiker, die sich an der Schnittstelle von Laptop und Ausdruckstanz mit Jazz und Improvisation beschäftigen. Veröffentlicht hat Oliver Johnson bis dato auf dem von Schulfreunden betriebenen Wiener Label Affine Records. Auf diesem veröffentlichen auch musikalische Langzeitpartner Johnsons wie Clemens Bacher alias Cid Rim oder Paul Movahedi alias The Clonious, das Salzburger House-Duo Ogris Debris oder der junge Kifferbeat-König Wandl aus St. Pölten. Johnson betrieb einst mit Cid Rim und The Clonious auch die Funk-Band JSBL mit ihm am Bass.

Der überaus höfliche, mit guten Manieren und privat mit einer klischeeverdächtigen Nerdbrille sowie obligatorischem T-Shirt und Pullover ausgestattete Sohn einer Wienerin und eines Amerikaners wuchs in Wien in den 1990er-Jahren plichtgemäß mit Hip-Hop auf. Techno und Grunge interessierten ihn damals eher gar nicht. Beim Hip-Hop fand Oliver Johnson allerdings schon recht bald die dicken Hosen und das Testosteron befremdlich. Mit Wiener Acts wie Kruder & Dorfmeister und den Vienna-Scientists-Kompilationen entdeckte Oliver Johnson den Trip-Hop und den gefälligen Kaffeehaus-Jazz.

Instrumente wie Klavier, Bassgitarre oder derzeit Saxofon bringt er sich fleißig, schnell und, nun ja, nerdig selbst bei. Dank des hier schon einmal erwähnten Youtube-Segens muss man sich längst nicht mehr in die Musikschule schleppen. Während seines Studiums an der Medienfachhochschule in Salzburg machte sich Oliver Johnson auch den Jux, sich um einen Diplomjazz-Führerschein am dortigen Mozarteum zu bewerben. Er hätte die Aufnahmeprüfung auch geschafft. Blöderweise kann er aber bis heute keine Noten lesen. Das mag der Diplomjazz gar nicht gern. Als glühender Verehrer von freien Radikalen wie Thelonious Monk oder McCoy Tyner kann es einem aber auch sehr egal sein.

Gerassel, Geknatter, Gefrickel

Die Arrangements für das Streicherensemble, das man Dorian Concept während seiner dieses Wochenende startenden zweiwöchigen Dienstreise nach Japan unter anderem für die Red Bull Music Academy bereitstellt, muss also jemand anderer notieren. Spannend bleibt trotzdem, wie die strenge klassische Form mit grundsätzlich frei improvisierter Elektronik zusammengehen soll.

Das hypernervöse, mehr dem Jazz als dem Funk zuordenbare Gerassel, Geknatter und Gefrickel seines ersten Albums When Planets Explode, das ihn zumindest teilweise in die Tradition altvorderer Rasselbeat-Protagonisten wie Aphex Twin oder Squarepusher reihte und dennoch dem Clubkontext verbunden blieb, es ist nun weg. Nachdem Dorian Concept als Livemusiker unter anderem für den US-Elektronik-Star Flying Lotus oder das britische Cinematic Orchestra tätig war und als Solo-Act über die Jahre zu viel allein in Hotelzimmern und auf Flughäfen herumgesessen ist, hat der junge Mann nun den Reiz der Kommunikation mit anderen Musikern neu entdeckt. Cid Rim und The Clonious sind live wieder dabei. Trotz aller ins autistische Heimwerkertum lappenden und laut Oliver Johnson auch der seelischen Ruhe wegen notwendigen Rückzugsphasen ist und bleibt das gemeinsame Spiel gerade im Kontext der freien Gemütsäußerung der spannendste Teil musikalischer Arbeit.

Eigenblutdoping

"Autodidaktischer Jazzmusiker, der sich selbst sampelt" lässt sich Concept/Johnson gern als Charakteristik gefallen. Immerhin besteht das entspannte, ruhige, manchmal mit käsigen 1970er-Jahre-Synthie-Sounds Richtung Joe Zawinul und Weather Report oder Miles Davis quäkende Album Joined Ends auf jener Technik, die man im Sport "Eigenblutdoping" nennt. Johnson improvisiert live im Studio im aktuellen Fall mit Vorliebe auf einem Wurlitzer-E-Piano, destilliert Motive, Melodien, Spannungsbögen – und verdichtet diese zu nun völlig entspannten, ganz und gar nicht mehr hyperventilierenden Tracks weit abseits der Tanzflächen.

Dorian Concepts aktuelle Musik ist hinten im Club bei den Sofas angesiedelt. Dort könnte man theoretisch gute Gespräche führen. Leider aber fährt im entscheidenden Moment immer die Abrissbirne in Form eines bösen, sich relativ langsam anschleichenden Beats dazwischen. Da quäkt der Synthesizer wie eine Gummiente für den Badespaß, obwohl sie lieber eine Querflöte geworden wäre, die in John McLauglins Mahavishnu Orchestra für spirituelle Verzückung sorgen könnte. Dorian Concept weiß als Vertreter der Weltjugend natürlich, dass die Zeit der Albumkunst dank Youtube und Quietschmusik aus dem Handy längst vorbei ist. Als Musiker ist er aber unbeirrt, ja stur genau diesen Weg gegangen: weg aus dem Club hin zum großen Erzählbogen. Guter Mann. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 17.10.2014)