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Fünf-Jahr-Jubiläum mit Aktionswoche: "uni brennt" blickt zurück.

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Wien - Mit einer Demo gegen Änderungen der Studienstruktur begann am 22. Oktober 2009 jene Aktion, die später für die einen zum Inbegriff zivilgesellschaftlichen Engagements und für andere schlicht zum Vandalismus mutierte: Die Besetzung des Audimax der Uni Wien, die Nachahmer in ganz Österreich und Deutschland fand. Bei der Räumung des Audimax nach 60 Tagen lief "unibrennt" aber nur noch auf Sparflamme.

Forderungen noch aktuell

Zum Fünf-Jahr-Jubiläum will der "harte Kern" der Aktivisten von 2009 mit einer "sozial- und bildungspolitischen Aktionswoche" (20. bis 26. Oktober) noch einmal auf die "unibrennt"-Bewegung zurückblicken. Die Forderungen seien immerhin heute so aktuell wie damals: Unterfinanzierung der Unis, prekäre Bedingungen für Lehrende und schlechte Studienbedingungen. "Nostalgieveranstaltung" solle das allerdings keine werden, betont einer der Organisatoren, Johannes Ruland. Podiumsdiskussion, Workshops, Konferenzen und Barcamp sollen vielmehr zu selbstkritischer Reflexion genutzt werden.

Wie die Protestbewegung wuchs

Begonnen hatte die Audimax-Besetzung 2009 als spontane Aktion nach Protesten von Studenten der Akademie der Bildenden Künste gegen die Umstellung der Studien auf die Bologna-Struktur mit Bachelor, Master und PhD. Über Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter wurden Unterstützer in den Hörsaal beordert und nach einer durchtanzten ersten Nacht wurde mit der Einrichtung von Infrastruktur begonnen: Ein basisdemokratisch organisiertes "Plenum" entschied über alle wichtigen Angelegenheiten, daneben konstituierten sich "Arbeitsgruppen", die u.a. Forderungskataloge erarbeiteten, Putztrupps und "Volxküche". Unterstützung hab es dabei auch von der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). Inhaltlich wandten sich die Aktivisten gegen Studiengebühren bzw. Zugangsbeschränkungen und forderten "Bildung statt Ausbildung".

"Alles ein bisschen viel"

Im Nachhinein, meint der damalige Uni-Wien-Rektor Georg Winckler, hätte man die Proteste eigentlich erwarten müssen. So kam es an der Uni Wien durch die de-facto-Abschaffung der Studiengebühren zu einem Anstieg der Studienanfänger um über 20 Prozent, darunter sehr viele Deutsche vor allem in den Massenfächern. Durch wohl auch mangelnde Vorbereitung auf die Umstellung auf das Bologna-System gab es sehr viel Unsicherheit und mangels ausreichend Anfängervorlesungen auch überfüllte Hörsäle. Mehr Geld gab es von der Politik weder für die größere Studentenzahl noch für die neue Studienstruktur, kritisiert Winckler. "Das war alles ein bisschen viel."

Mit der Besetzung lösten die Studenten eine breite Debatte aus: An der größten Demonstration nahmen zwischen 10.000 und 50.000 Menschen teil - deutlich mehr als die ÖH in den Jahren davor auf die Straße gebracht hatte. Diese habe sich bei den Protesten ganz bewusst zurückgehalten. "Wäre die ÖH am Kopf der Proteste gestanden, wäre es leicht gewesen, der Bewegung diesen Kopf abzuhacken", meint die damalige ÖH-Vorsitzende und heutige Grünen-Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer.

Protest in Burgtheater und Nationalrat

Mittels sozialer Netzwerke, Homepage und spontaner Aktionen schafften es die Aktivisten der "unibrennt"-Bewegung immer wieder, auch in der Öffentlichkeit Gehör zu finden: So wurden etwa eine Burgtheater-Vorstellung unterbrochen, Flashmobs organisiert und eine Nationalratssitzung gestört.

Die Politik reagierte mit Beschwichtigungsversuchen: Der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) zapfte seine "Notfallreserve" von 34 Mio. Euro an und initiierte einen rund ein Jahr dauernden "Hochschuldialog", der kein Ergebnis brachte. Er selbst verabschiedete sich - ohne einen Besuch im Audimax - bald als EU-Kommissar nach Brüssel. Erst seine Nachfolgerin Beatrix Karl (ÖVP) stellte sich wenige Tage nach ihrer Angelobung dem direkten Gespräch mit den Studenten.

Die Politik habe es nicht ungern gesehen, dass die Besetzer in der Uni eine "Spielwiese" der Demokratie und des freien Diskurses gefunden hatten, erinnert sich Winckler. "Zum Glück gibt es diese Freiräume." In anderen politischen Zirkeln sei das aber nicht gern gesehen gewesen: Als die Studenten vor das Parlament bzw. in das Wissenschaftsministerium zogen, war die Polizei schnell zur Stelle. Die Themen der Proteste habe die Politik nur wenig aufgenommen. "Mir ist dabei bewusst geworden, dass Österreich doch sehr wissenschafts- und forschungsfern ist."

Sparflamme

Für die Politik zahlte sich das Aussitzen aus: "unibrennt" rieb sich immer mehr an internen Fragen wie dem Umgang mit Sexismus und Rassismus im Audimax auf und verlor an Zulauf, der "besetzte" Hörsaal war immer öfter leer oder nur spärlich gefüllt. Schafften es die Besetzer mit Konzerten oder Vorträgen zunächst immer wieder, die Stimmung zum Kochen zu bringen, war der Hörsaal im Laufe der Zeit meist nur mehr Anlaufstelle für eine kleine Zahl von Aktivisten und - zunehmend - Obdachlose. Wirklich voll wurde das Audimax nur mehr Anfang Dezember, als Winckler sich dem Plenum stellte.

Räumung

Die Uni-Leitung, die die Besetzung anfangs toleriert hatte, verschärfte im Dezember den Ton: Neben Ausgaben von fast einer Million Euro für Ersatzräumlichkeiten gab es laut Winckler auch Sicherheitsprobleme in dem zuletzt von Obdachlosen, aber auch angeblich gewaltbereiten Mitgliedern der deutschen Anarchistenszene bevölkerten Audimax. Nachdem sich die Besetzer intern auf keinen Abzug einigen konnten, veranlasste das Rektorat am 21. Dezember in den frühen Morgenstunden die Räumung: Verblieben waren zu diesem Zeitpunkt noch rund zehn bis 15 Studenten und 80 Obdachlose.

Nach dem Verlust ihres Flaggschiffs blieb die Protestbewegung nur mehr auf Sparflamme aktiv. Unter anderem wurde im März gegen den Bologna-Gipfel demonstriert und am Hochschuldialog teilgenommen beziehungsweise dieser wieder verlassen, zwei Mal gab es in den Folgejahren noch kurzfristige Audimaxbesetzungen - nach einigen Stunden wurden diese allerdings durch die Polizei beendet.

Studenten-Obdachlosen-WG

Von "unibrennt" geblieben sind allerdings mehrere Projekte: Neben einem Kinofilm und einer weiteren Doku entstand das Projekt "Vinzi Rast" auf der Währingerstraße, wo Studenten und Obdachlose in gemischten WGs wohnen. Bis Anfang 2014 gab es das Magazin "übermorgen", das 2013 mit dem "New Media Journalism Award" des Österreichischen Journalisten Clubs ausgezeichnet wurde. Außerdem soll künftig das Archiv der "unibrennt"-Bewegung von 2009 der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. (APA, 15.10.2014)