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Wissenschaftssoziologin Grit Laudel betont, dass Wissenschafter ohne Infrastruktur abwandern.

Foto: TU-Berlin

Wien - Dass Wissenschafter wie Sportler im Wettbewerb stehen und deswegen permanent geprüft und bewertet werden, ist bekannt und häufig Thema von Podiumsdiskussionen mit dem immerglei-chen Fazit: Es ist nicht einfach, sich von Projektfinanzierung zu Projektfinanzierung zu kämpfen, aber etwas Besseres als eine Kombination aus Grundfinanzierung und kompetitiver Förderung wurde noch nicht gefunden.

Dass Förderagenturen, die nach Jurybeschluss die Projektmittel an Wissenschafter vergeben, genauso evaluiert werden müssen, wissen vermutlich wenige. Dabei gilt es Antworten auf entscheidende Fragen zu bekommen: Wird das Geld so ausgegeben, dass man damit eine Wirkung auf die Wissenschaften erzielt? Und kann man Bewegung in die Szene bringen?

Als zielführende Analysemethode gilt, die geförderten Wissenschafter, also die "Kundschaft" der Agenturen zu befragen: Der Wissenschaftsfonds FWF, größter österreichischer Förderer für Grundlagenforschung, hat eine entsprechende Studie des Berliner Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht - mit durchwegs guten Noten für den Fonds.

Non-Mainstream-Research

Nun hat sich auch der Wiener Wissenschaftsfonds WWTF evaluieren lassen: Als Teil einer umfassenderen Wirkungsevaluierung hat die Wissenschaftssoziologin Grit Laudel von der TU Berlin "An In-depth Case Study of Selected WWTF Impacts" durchgeführt - wieder mit Interviews. Laudel erzählt dem STANDARD, dass sie sich die Frage nach "Non-Mainstream-Research" gestellt hat: "Wurden also blinde Flecken erforscht? Oder wurden die Wissenschafter für Arbeiten gefördert, die sich von anderen aktuellen Studien aus dem Forschungsbereich kaum unterscheiden?"

Unter Non-Mainstream-Research verstehe sie aber auch die Verknüpfung von Fächern, die bisher wenig oder gar keine Berührungspunkte hatten: Das müsse nicht unbedingt zu gemeinsamen Projekten von Natur- und Geisteswissenschaftern führen. Teilbereiche, "die getrennt waren", könnten so auch wieder zusammenwachsen - wie etwa die Atom- und die Festkörperphysik.

Der in der zwölfjährigen Geschichte des WWTF bisher viermal durchgeführte Call "Mathematik und ..." habe den Anspruch an Interdisziplinarität erfüllt. Laudel: "Die Pünktchen stehen ja für eine zweite Disziplin, die auf dem ersten Blick nichts mit Mathematik zu tun hat." So seien Projekte gefördert worden, "die in dieser Kombination davor nicht bestanden haben". In den Life-Sciences-Calls sei es gelungen, Biowissenschaften mit der klinischen Forschung zu verknüpfen, "was durch Programme anderer Förderagenturen kaum abgedeckt wird".

Impulse für die Wiener Wissenschaftsszene

Der privat finanzierte Fonds - den Hauptanteil trägt eine Privatstiftung aus dem Finanzbereich - habe es offenbar geschafft, mit seinem Budget von jährlich etwa zwölf Millionen Euro Impulse für die Wiener Wissenschaftsszene zu setzen, obwohl er nur auf die Bereiche setzt, die in Wien schon etabliert sind, wie eben Mathematik oder Life-Sciences.

Grit Laudel hat bereits einige Erfahrung mit den Evaluierungen von Fördersystemen: Sie hat die niederländischen und die australischen Forschungsförderungsprogramme genauso unter die Lupe genommen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG, das Pendant zum österreichischen FWF. Dabei erkannte sie: "Kleine Länder wie Österreich haben nur einen großen nationalen Förderer für Grundlagenforschung und ansonsten keine Alternativen." In Deutschland hätten Wissenschafter mehrere Möglichkeiten, ihre Arbeiten einzureichen. Laudel nennt als Alternative zur DFG etwa die Volkswagenstiftung.

Eine der zentralen Fragen jeder Evaluierung war stets: Sind die Förderprogramme nachhaltig? Werden also Strukturen geschaffen, auf denen man aufbauen kann? Laudel: "Das ist in diesem Fall schwierig zu beantworten, weil der WWTF noch sehr jung ist. Selbst die ersten Programme sind noch nicht lange ausgelaufen."

Die Förderschiene "Vienna Research Groups" sei erst 2010 angelaufen. Hier werden mit Mitteln der Stadt Wien Forschungsgruppen für fünf bis acht Jahre finanziert, deren Leiter nach dieser Zeit die Chance auf eine unbefristete Stelle an der Uni erhalten, an der sie bereits forschen - ohne Zusagen, was Infrastruktur und Personal betrifft.

Laudel: "Da wurden sehr gute Leute geholt. Die sind mobil, und wenn da keine Infrastruktur bereitgestellt wird, dann gehen sie wieder. Das muss den Unis bewusst sein." Das sei ein systemimmanentes Problem. "Eine Förderorganisation fördert eben nur für drei, vier, fünf Jahre, dann ist Schluss." Der WWTF könne daher nur Anreize schaffen. Für die langfristige Umsetzung müssten - immer vorausgesetzt, die Wissenschafter werden gut bewertet - die Unis sorgen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 15.10.2014)