140 Personen sind aus Österreich in den Jihad nach Syrien und den Irak gezogen, 60 sind zurückgekehrt. Sie werden überwacht, sagt der Verfassungsschutz. Ausnahmslos alle wurden angezeigt, sagt die Innenministerin.

Was tun mit den Rückkehrern? Was tun mit den potenziellen Jihadis? In den Internetforen (auch denen des STANDARD) werden originelle Lösungen angeboten: Alle in ein "Kriegsgefangenenlager" stecken, durchaus auch auf Verdacht, schlagen da etliche vor. Andere Ideen sind rechtsstaatlich kaum besser.

Aber die Gefahr ist wohl nicht zu unterschätzen. Zwar wird im Aufruf der Terrororganisation "Islamischer Staat", in Europa Anschläge gegen die "Kreuzfahrer" zu unternehmen, Österreich nicht ausdrücklich erwähnt. Aber das ist ein schwacher Trost.

Die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen sind kein Garant dafür, dass es nicht doch zu Anschlägen kommt. Unterhalb dieser Schwelle gibt es aber auch genügend beunruhigende Entwicklungen: Bei den Demonstrationen für die Kurden in Wien und Bregenz kam es beide Male zu gewaltsamen Angriffen von IS-Anhängern auf die Demonstranten (die sich allerdings in Bregenz mit Messerstichen wehrten).

Der Punkt dabei ist, dass die Angriffe beide Male von Türken und Tschetschenen ausgingen. Man sollte meinen, dass zumindest die Tschetschenen andere Feindbilder hätten, aber anscheinend durchlaufen etliche aus dieser Community, die überwiegend aus Flüchtlingen besteht, denen wegen der Verfolgung und des Krieges in der Heimat Asyl gewährt wurde, einen Prozess der Radikalisierung.

Selbstverständlich ist die Mehrzahl der 26.000 Tschetschenen, die in Österreich leben, friedlich und froh, Verfolgung entronnen zu sein. Aber in einem Volk, das in Abständen praktisch seit dem 19. Jahrhundert gegen seine Unterwerfung kämpft, gibt es wohl einiges an kriegerischem Potenzial. Es genügen ja ein paar junge Frustrierte, um ein Gewaltpotenzial zu schaffen.

Die österreichischen Behörden und wohl auch die Islamische Glaubensgemeinschaft bemühen sich, nun sogenannte "Deradikalisierungs"-Programme für anfällige junge Leute aus der muslimischen Community anlaufen zu lassen. Bis das einigermaßen greift, vergeht wohl einige Zeit.

Gleichzeitig muss man wohl ein paar Dogmen überdenken. Der Frust vieler junger Männer aus der muslimischen Community speist sich aus der Perspektivlosigkeit, sowohl was die Arbeit als auch was die Privatsphäre betrifft. Wer keine Arbeit hat, kann auch nicht heiraten, aber sowohl Job wie Familienleben wirken grundsätzlich stabilisierend. Sollte man die jungen Asylwerber nicht doch arbeiten lassen - etwa indem man staatliche Beschäftigungsprogramme und Ausbildungsprogramme für sie öffnet?

Das klingt zwar etwas absurd angesichts eines Staates, der weder für sein Bundesheer noch, wie sich jetzt herausstellt, für die Lehrer genug Geld hat. Aber die Alternative - das Heranzüchten von Frust-Jihadis - ist auch nicht begeisternd. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 15.10.2014)