Außer Spesen hat die europäische Kulturhauptstadt 2012 in Maribor nur wenig zurückgelassen: Der Tourismusrekord verpuffte im Folgejahr, von der proklamierten Nachhaltigkeit kann keine Rede sein und Misswirtschaft in der Stadtpolitik führte dazu, dass geplante Kulturbauten größtenteils nicht realisiert wurden.

Aber auch 2014 gibt die Situation in Sloweniens zweitgrößter Stadt Anlass zur Sorge: Ex-Bürgermeister Franc Kangler, der nach Massenprotesten Ende 2012 zurückgetreten war und für den in vielen Korruptionsfällen nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt, versucht ein politisches Comeback. Bei den Bürgermeisterwahlen Anfang Oktober schaffte er es in die Stichwahlen und hat am 19. Oktober zumindest Außenseiterchancen seinen Nachfolger Andrej Fistravec abzulösen. Letzterer sah sich im Zusammenhang mit Kultursubventionen bereits ebenfalls mit Vorwürfen des Amtsmissbrauchs konfrontiert.

Maribor sendet dennoch positive Signale: Vergangene Woche startete die mittlerweile 13. Ausgabe des Digitalkunstfestivals Kiblix. Sichtlich inspiriert von der Linzer Ars Electronica hatten Kunstaktivisten 1996 das Zentrum Kibla gegründet, sich mit "Computerkunst" beschäftigt und einschlägige Festivals organisiert.

Lochkarten im Leierkasten

Kiblix 2014, das in einer ehemaligen Fabrikshalle stattfindet, folgt dieser Tradition. Die aktuelle Ausstellung Parallelen mutet nahezu wie ein Revival des damaligen utopistischen Pathos an. Hinterfragt werden "die Grundlagen der modernen Welt", so die Kuratoren Aleksandra Kostic und Ziga Dobnikar. Den Retrocharakter unterstreicht auch, dass Verweise auf das Internet völlig fehlen und die Künstler bisweilen auf vorzeitliche Techniken setzen. Wie etwa in Arbeiten der Mexikanerin Tania Candiani: Die Medienkünstlerin präsentiert Leierkästen Marke Eigenbau, in denen überdimensionale Lochkarten laufen, gescannt werden und in Echtzeit in Klänge übersetzt werden: Datenübertragung ist also eigentlich nichts anderes als Erzählen - zumindest wenn sie in vom Menschenaugen erfassbaren Geschwindigkeiten erfolgt.

Die Übersetzung zwischen analog und digital beschäftigt auch andere Künstler - oftmals geht es dabei um Transfers mithilfe antiquierter Techniken. Die Sloweninnen Maja Smrekar und Robertina Sebjanic übersetzen Wachstumsprozesse von Sträuchern in elektronische Musik, ein lettisches Künstlerkollektiv um Rasa Smite und Raitis Smits verdeutlicht die Verwendung von Bakterien zur Stromerzeugung mit Klangeffekten. Die Beteiligung von Smite und Smits wirkt keinesfalls zufällig: Das Künstlerpaar zählt zu den Veteranen osteuropäischer elektronischer Kunst und eröffnete Ende der 1990er-Jahre in Riga ein Kunstzentrum.

Den eskapistischen Charakter der Schau verdeutlicht auch die Installation Offener Code: Oase der Slowenin Monika Pocrnjic: Ein Wohnzimmer in dem auch Pflanzen kultiviert werden und wo man theoretisch sogar Nahrung produzieren könnte. Das erinnert an jene Art Kunst, die vor zwanzig Jahren auf Festivals wie der Ars Electronica präsentiert wurde. Im lokalen Kontext verweist das auf jene gute, alte Zeit, in der Gegenwartskunst in Maribor erstmals wirklich Fuß fassen konnte. Eine Zeit, in der die Kulturpolitik der Stadt noch nicht von Korruptionsskandalen erschüttert war. (Herwig Höller, DER STANDARD, 15.10.2014)