Bregenz - Samstagnachmittag in Bregenz: Der Polizeihubschrauber kreist unentwegt über der Stadt. Hinter dem Skaterplatz gegenüber des Festspielhauses sammeln sich rund 400 Menschen zur "Kurdendemo".
Kurz vor Beginn kommt es zur Eskalation. Geschrei, Gerenne, Aufmarsch der Sondereinheit, Ambulanz. Zwei 17-Jährige, einer türkischstämmig, der andere aus Thailand, werden mit schweren Stichverletzungen eingeliefert. Was genau passiert ist, weiß keiner. Ein erster Tatverdächtiger, ein kurdischer Demonstrant, wurde festgenommen, wieder freigelassen. Nun wird weiter ermittelt.
Was hatte zum Zusammenstoß geführt? "Verbale Provokation und Provokation durch Gesten", sagt die Polizei. Als Provokateure unterwegs waren an diesem Nachmittag 30 bis 40 Jugendliche, laut Polizei "Türken und Tschetschenen". In Kleingruppen tauchten sie in der Innenstadt auf. Die Sicherheit des Demonstrationszuges konnte deshalb nicht mehr gewährleistet werden, sagte Polizeisprecher Rainer Fitz. Also ließ man die Demo am Versammlungsplatz stehen.
Marsch in die Innenstadt
Über eine Stunde lang wurden die Demonstranten vom Marsch in die Innenstadt abgehalten. In der Zwischenzeit formierten sich im Zentrum zornige junge Männer zur unangemeldeten Demonstration. Parolen schreiend, Allah beschwörend, zogen sie ungestört durch die Fußgängerzone. Es habe keine unangemeldete Demonstration gegeben, sagt die Polizei. Es hätten sich halt Splittergruppen zusammengefunden. Ob und welche Parolen gerufen wurden, wisse man nicht.
Der STANDARD wollte von Jugendlichen wissen, warum sie die Kurdendemo nicht zulassen wollen. Einige Antworten: "Weil die Terroristen sind." "Lauter Ungläubige." "Weil die kiffen." "Weil Gott das nicht will." Ordnung schaffen müsse man endlich, sagte ein junger Bosnier: "Ich wünsche mir, dass die IS erfolgreich ist."
Türken gegen Flüchtlinge
Wer indoktriniert die Jugendlichen? Das Internet, meint Religionsinspektor Abdi Tasdögen, verantwortlich für alle muslimischen Religionslehrer in Vorarlberg. Salafisten hätten in Vorarlberger Moscheegemeinden keine Chance zu predigen. Sie seien hier Einzelgänger und auch nicht in den türkischen Gemeinden zu suchen, sondern unter den Flüchtlingen.
Jene Muslime, die zur IS tendieren, wie die drei Burschen, die aus Vorarlberg in den Krieg nach Syrien gezogen seien, kämen aus sozial schwache Flüchtlingsfamilien, seien keine türkischen Vorarlberger. Von Hetze durch Islamisten will Abdi Tasdögen nichts wissen.
Auch bei der Anti-Israel-Demonstration von Erdogan-Anhängern im Juli sei es nicht zu Hetzparolen gekommen, sagt der Fachinspektor. Tasdögen dürfte bei dieser Demo dem Prediger vor dem Festspielhaus nicht gut zugehört haben. Vom Vampir dieser Erde, vom Volksstamm, der von Allah verdammt wurde, war die Rede. Und vom größten Terroristen dieser Erde: "Amerika sei verdammt." (jub, DER STANDARD, 15.10.2014)