Wien - Schärfer formuliert der Rechnungshof (RH) seine Kritik an geprüften Staatsbetrieben selten: Die Verbund AG habe weder tiefergehende Analysen durchgeführt, bevor sie in Frankreich, Italien und Türkei Beteiligungen eingegangen sei, noch Zweck, Art, Umfang und Ziel des finanziellen Engagements tief genug geprüft oder festgelegt. Auch sei trotz festgestellten Risikos expandiert worden, ohne sich je eine Exit-Strategie für den Fall des Scheiterns überlegt zu haben.

Das Ergebnis ist bekannt: Der Frankreich-Ableger Poweo wurde nach Jahren mit Verlusten erst am Montag zu den Akten gelegt. Die italienische Tochter Sorgenia gehört de facto den Banken (die sie nach der Sanierung verwerten), und aus dem Türkei-Abenteuer kam man zwar mit einem finanziellen Gewinn heraus, das allerdings nur, weil der deutsche Versorger Eon seine Inn-Kraftwerke in Bayern gegen die Anlagen des Verbund in der Türkei tauschte.

Zu der vom RH angeregten Prüfung der für die unter dem Dach der Verbund International gebündelten Auslandsbeteiligungen zuständigen Organe in Vorstand, Aufsichtsrat und diversen Geschäftsführungen wird es dennoch nicht kommen: Man habe nicht nur interne Revision, Wirtschaftsprüfer und Anwälte auf die Auslandsbaustellen geschickt und jede Transaktion beleuchtet, betont man im Verbund.

Mit Gutachten gewappnet

Aufsichtsratschef Gilbert Frizberg habe sich auch mittels eines Gutachtens von WU-Gesellschaftsrechtsexpertin Susanne Kalss abgesichert. Ergebnis: Alle Organe und Transaktionen seien clean, "es gibt keinen Ansatz für irgendwelche Schadenersatzansprüche", betont eine Sprecherin. Auch Sorgfaltspflichten, wie der RH argwöhnte, seien nicht verletzt worden.

Somit können Frizberg, Ex-Verbund-Finanzchef und General Michael Pistauer sowie der ab 2007 für die in Verbund International (VIN) gebündelten Auslandstöchter zuständige und im Juni 2010 an die ÖBB-Spitze gewechselte Christian Kern ebenso aufatmen wie die in der Folge ebenfalls zur ÖBB gewechselten Ex-VIN-Geschäftsführer Erik Regter (heute Vorstand Rail Cargo Austria) und Georg Lauber (aktuell Vorstand ÖBB-Personenverkehr AG). Kern hatte stets versichert, dass Investitionsentscheidungen stets der Gesamtvorstand getroffen habe.

Kaum Mitsprache

Redimensioniert wurde die auf Basis der Liberalisierung des EU-Energiemarkts basierte Wachstumsstrategie bereits im Februar 2009, eine vollständige aktive Steuerung des Beteiligungsportfolios sei aber nie gewährleistet gewesen, kritisiert der RH. Auch konnte der Verbund bei den verschachtelten Organisationsstrukturen nicht gemäß seiner tatsächlichen Eigentumsrechte mitbestimmen.

Im Prüfzeitraum 2008 bis 2012 erwirtschaftete VIN Verluste aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von in Summe 580 Millionen Euro, rechnet der RH vor. In die drei Kernmärkte wurden 2,35 Milliarden Euro Eigenkapital zugeführt, davon 503 Millionen in Frankreich, 655 Millionen in Italien und 1,19 Milliarden in die Türkei.

Auch Italien mau

Geld zurück kam bis Ende 2012 nur aus Italien (24,6 Millionen Euro) und Frankreich (100,9 Millionen Euro). Die Verluste in Frankreich verminderten das Eigenkapital im Konzern um 477 Millionen Euro, Haftungen über 397 Millionen Euro erhöhten das Risiko zusätzlich.

Von Wertsteigerung konnte man auch in Italien nur träumen. Ende 2013 wurde Sorgenia um 396 Millionen Euro auf null abgeschrieben. Einzig aus der Türkei kamen 750 Millionen Euro zurück, weil Eon für das Joint Venture mit Sabanci 350 Millionen Euro mehr zahlte, als die 1,19 Milliarden Euro, die Verbund investiert hatte.

Ein "strategisches Ziel" war auch das nie, sondern eine Notbremse. Dass das strategische Ziel eines profitablen Wachstums im Ausland "vollständig verfehlt" wurde, wie der RH kritisiert, lässt der Verbund nicht gelten: Der erfolgreichste Auslandsmarkt sei nämlich Deutschland. (ung, DER STANDARD, 14.10.2014)