Wien - Wiener Wissenschafter haben entdeckt, dass etwa die Hälfte der bei zellulärem Stress aktivierten Gene ein ganz spezifisches, epigentisches Merkmal besitzen. Die im Fachjournal "Genome Research" publizierte Untersuchung zeigte, dass bei den entsprechenden Genen ein bestimmtes Protein durch einen Phosphatrest gekennzeichnet ist, das als Startsignal zum Ablesen fungiert.

"Werden Zellen gestresst, zum Beispiel durch bestimmte Chemikalien, aktivieren sie sehr schnell ein spezielles Transkriptionsprogramm. Das heißt, bestimmte Gene werden angeschaltet, und zwar nach einem genau regulierten Modus, der festlegt, wann welches Gen für wie lang aktiviert wird", erklärte Anna Sawicka, die Erstautorin der Studie.

Phosphatrest markiert Histon H3

Die Experimente der Wissenschafter zeigten, dass gut die Hälfte aller sofort durch Stress aktivierten Gene ein gemeinsames Markenzeichen haben: ganz an ihrem Anfang, dem Promotor, ist das Protein Histon H3 durch einen Phosphatrest spezifisch gekennzeichnet.

Histone sind jene Kügelchen, auf denen die Erbsubstanz der Zellen aufgewickelt sind. Das Anhängen von Methyl- oder Phosphatresten an bestimmten Stellen dieser Strukturen ist wichtig für die Steuerung des Ablesens oder der Unterdrückung der Aktivität von Genen. Das funktioniert unabhängig von Genmutationen, die zu einer Aktivierung oder Suppression ihrer Funktionen führen können.

Studienleiter Christian Seiser erklärt: "Es war eine riesige Überraschung, dass ein und dieselbe Markierung an fünfzig Prozent der durch Stress aktivierten Gene zu finden ist. Das macht sie zu einem Markenzeichen, denn wir finden diese spezifischen Markierung sonst nur an einem kleinen Bruchteil aller Histon H3 Proteine." Daher gingen die Wissenschafter den Fragen nach: Was sind das für Gene, die dieses Markenzeichen tragen, und was ist die Funktion dieser Markierung?

Startsignal zur Aktivierung des Gens

Zur Beantwortung dieser Fragen etablierte Sawicka gleich zwei Methoden, die in diesem Kontext vor ihr noch niemand zum Funktionieren gebracht hatte. Die Forscherin fand heraus, dass das Markenzeichen vor allem an sogenannten pausierenden Genen zu finden ist. Das sind Gene, die bildlich gesprochen wie Rennautos mit bereits laufendem Motor vor dem Start des Rennens warten. Die Markierung durch den Phosphatrest fungiert dann als Startsignal, das die Gene sofort hochreguliert.

Ein detailliertes Verständnis der Stressreaktion auf molekularer Ebene könnte zur Entwicklung von Therapeutika beitragen, die zur Behandlung stressbedingter Krankheiten dienen. Nun wollen die Forscher herausfinden, welche Funktion die Histonmarkierung für die längerfristige Genaktivierung durch Stress hat. Erste Hinweise haben sie schon: In diesen Fällen scheint die Phosphatmarkierung in Kombination mit anderen Histonmodifikationen eine wichtige Rolle als Teil des sogenannten Histon-Codes zu spielen. (APA/red, derStandard.at, 18.10.2014)