Beim Suizidverhalten gibt es ein deutliches Gender-Paradox: Bei vollzogenen Suiziden lautet das Verhältnis drei Männer zu einer Frau, bei Suizidversuchen ist es genau umgekehrt - hier kommen drei Frauen auf einen Mann. Eine kürzlich im Top-Journal "Sex Roles" erschienene Studie der MedUni Wien zeigt, dass sich das dafür mitverantwortliche kulturelle Skript in der Berichterstattung österreichischer Tageszeitungen wiederfindet.
Rollenbilder werden verstärkt
Untersucht wurden elf österreichische Tageszeitungen und 507 Artikel der Jahre 1997 und 2005, die einen der Begriffe Suizid, Selbstmord und Freitod enthielten. Die Studie ist eine der ersten Untersuchungen, die sich umfassend mit der Thematik genderspezifischer Muster in der Berichterstattung über Suizid auseinandersetzt.
Sichtbar werden diese geschlechtsspezifischen Unterschiede durch die Formulierung sowie die Art und Häufigkeit der berichteten Suizidmotive. Artikel über Frauensuizide fokussieren stärker auf Umgänglichkeit, Bezug zu anderen Menschen und Motive, die im familiären Umfeld verankert sind. Ebenso treten psychiatrische Erkrankungen häufig als Motiv auf und werden stigmatisierend beschrieben.
Weiters kennzeichnen komplexere Sprache und vorsichtige Ausdrucksweise die Artikel über Frauensuizide. Im Gegensatz dazu treten in den Artikeln über Männersuizide mehr Wörter auf, die auf Wut und Zurückweisung hindeuten. Das in Österreich ohnehin vorhandene konservative Rollenbild wird durch diese Art der Berichterstattung verstärkt.
Elf Tageszeitungen untersucht
Das Fazit der Studie: Suizidrisiko ließe sich durch veränderte Berichterstattung senken. "Psychische Erkrankungen werden stigmatisierend beschrieben und sind allgemein unterrepräsentiert, da sie etwa in Berichten über suizidale Männer kaum vorkommen. Dadurch ist ein wichtiger Präventionsansatz für österreichische Leser nicht greifbar: Psychiatrische Erkrankungen sind behandelbar", sagt Studienleiterin Brigitte Eisenwort.
Das Suizidrisiko ließe sich dadurch reduzieren, so die Expertin. Journalisten sollten deshalb auf eine möglichst korrekte Darstellung von Suizidalität achten und nicht auf stereotype Darstellungen von Männern und Frauen zurückgreifen. (red, derStandard.at, 13.10.2014)