Bild nicht mehr verfügbar.

US-Geronotologin plädiert für mehr Gelassenheit und eigene Maßstäbe im Umgang mit Älteren.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Bild nicht mehr verfügbar.

Schließlich bleiben nicht alle so fit wie Clint Eastwood, der auch mit 84 Jahren kein bisschen müde ist.

Foto: Eric Charbonneau/Invision/AP

US-Gerontologin Naomi Feil beklagt mangelndes Verständnis der Medizin für Senioren: "Alte Menschen sollten eigentlich funktionieren wie Clint Eastwood. Wenn nicht, werden sie vielfach schon als krank angesehen", konstatiert die 82-Jährige. Der einstige Westernheld hat heuer mit 84 sein 33. Regiewerk herausgebracht, Feil befindet sich auf einer Seminar-Tournee durch Europa.

Andere Maßstäbe anlegen

Dabei, so die "Erfinderin" der Validation, einer international anerkannten Methode zum Umgang mit desorientierten Alten, sollten besser altersspezifische Maßstäbe angelegt werden. "Die Medizin macht zu wenige Unterschiede. Eine desorientierte 50-Jährige ist wahrscheinlich krank. Bei einem ebenso desorientierten 90-Jährigen sieht die Sache vielleicht ganz anders aus", meinte Feil.

Wenn der 90-Jährige die scheinbar einfache Frage nach dem Namen des Staatspräsidenten nicht beantworten kann, ist das nicht zwangsläufig ein Indiz für Alzheimer oder die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung. Es kann einfach seiner Alltagsrealität geschuldet sein: Für den 90-Jährigen, der nicht mehr gut hört und sieht, nur noch eingeschränkt mobil ist und eine kurze Lebensspanne vor sich hat, ist der Name des Präsidenten nicht von Bedeutung, sprich: Er ist ihm vielleicht einfach egal. Und das ist legitim, meint Feil.

Gegen den generell verwendeten Begriff "Demenz" wehrt sich die Gerontologin ohnehin. "'Dement' bedeutet 'ohne Sinn'. Aber vieles von dem, was alte Menschen tun oder sagen, hat Sinn - aus der Sicht der Betroffenen." Und dies gilt es bei der Validation zu ergründen und zu respektieren.

Große Herausforderungen

Wenn Opa und Oma sich zeitlich und örtlich nicht mehr zurechtfinden, Menschen verwechseln, die eigene Tochter für ihre längst verstorbene Mutter halten oder aggressiv werden, stehen die Angehörigen vor mitunter gewaltigen Herausforderungen. Kritik am Verhalten oder Korrekturen der Aussagen alter Menschen bringen laut der US-Gerontologin auf lange Sicht nichts. Vielmehr gilt es die Ursachen zu verstehen, etwa ungelöste Konflikte oder lange unterdrückte Gefühle.

Die Methode: Interesse an den Äußerungen des alten Menschen gepaart mit Respekt, Fragen auf Augenhöhe und mit Einfühlungsvermögen. Nicht gleich darauf hinweisen, dass die (Groß-)Mutter schon lang tot ist, vielmehr nachfragen, was der alte Mensch der Mutter sagen will, wie er die Mutter gerade sieht oder wann er sie zuletzt gesehen hat oder was mit ihr los ist. Möglicherweise kommen dadurch alte Konflikte an die Oberfläche. "Jeder Mensch will ungelöste Konflikte bereinigen und hinunterschluckte Emotionen hinauslassen", erläuterte Feil.

Den Beobachtungen der US-Gerontologin zufolge hat das Ausmaß ungelöster Konflikte und unterdrückter Gefühle durchaus Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, im Alter an Verwirrung zu leiden. Die Methode der Validation wird in zahlreichen Ländern bei der professionellen Betreuung verwirrter Menschen angewendet, unter anderem in den USA, in Japan, in Israel, Schweden, Deutschland und Österreich. In Japan dauert die Ausbildung laut Feil übrigens doppelt so lange wie in den anderen Ländern: Denn dort haben die Menschen nicht gelernt, Emotionen zu zeigen. (APA, derStandard.at, 10.10.2014)