Bei der Wohnungssanierung fand Veronika Sandbichler Relikte alter Zeiten unterm Verputz. Ein bisschen bereut die Kunsthistorikerin, sie nicht erhalten zu haben. Über Farbe und Freiheit sprach sie mit Katharina Mittelstaedt.

"Wohnen bedeutet für mich, Freiraum zu haben. Sich frei zu bewegen, frei zu gestalten, sich frei entwickeln zu können. Das bedeutet umgekehrt nicht, dass ich das außerhalb dieses Rückzugsraums nicht kann, aber die eigene Wohnung ist ein besonderer Ort, an dem ich mir näher bin als anderswo. Das ist auch deshalb wichtig, weil es für mich definitiv keine Trennung zwischen Privat- und Berufsleben gibt. Beides ist mein Leben.

"Mut zur roten Wand! "Farbe hat große Bedeutung für mich", sagt Ambras-Direktorin Veronika Sandbichler. In letzter Zeit durften die Farben durchaus etwas kräftiger sein. (Bildansicht durch Klick vergrößern)
Foto: Günter Richard Wett

Als Direktorin von Schloss Ambras bin ich so beansprucht, dass es unmöglich wäre, zu Hause nicht zu arbeiten. Vor allem meine wissenschaftliche Tätigkeit findet hier statt, also die Arbeit an Ausstellungen, Publikationen und Vorträgen. Da brauche ich Konzentration und Ruhe.

Gearbeitet darf - wie gelebt - überall werden. Wir haben heuer Jubiläum und wohnen seit zwanzig Jahren hier im Stadtteil Saggen in Innsbruck. Mit 'wir' meine ich meinen Mann, mich und unsere etwas zur Fettleibigkeit neigende Wohnungskatze Pauli.

Die Wohnung hat rund 120 Quadratmeter. Als wir sie bezogen haben, war es eine klassische Substandard-Wohnung: keine Heizung, die Elektrik aus der Erbauungszeit um die Jahrhundertwende, kein Bad. Wir haben alles saniert und sehr viel selbst gemacht. Dadurch erwächst eine besondere Verbundenheit mit dem Zuhause, auch wenn es bis heute eine Mietwohnung ist.

Als wir die Wohnung besichtigt haben, war es Liebe auf den ersten Blick: die hohen Räume, die Flügeltüren. Die drei großen Räume, die wir als Wohn-, Schlaf- und Esszimmer nutzen, sind alle nach Süden ausgerichtet und dadurch sehr hell und sonnig. Absoluter Lieblingsort ist aber die Küche, hier wird gekocht, gegessen und auch gearbeitet.

Das Esszimmer, unser sogenanntes mittleres Zimmer, wird ebenfalls als Arbeitszimmer genutzt. Im Zuge der Sanierung hat sich beim Abtragen der obersten Wandschicht herausgestellt, dass in diesem Raum noch sehr viel Originalmalerei erhalten war: dunkle Wandflächen, die oben und unten von einem breiten Streifenfries umrahmt wurden. Damals war uns diese Farbgebung zu dunkel, und wir haben bloß den oberen Fries in etwas helleren Tönen rekonstruieren lassen. Heute würde ich uns auch die dunkle Originalmalerei zumuten.

Farbe hat große Bedeutung für mich. Ich liebe die rote Wand hinter mir. Früher haben wir eher mit Grüntönen gearbeitet, auch hier darf es heute etwas kräftiger sein. Die Wohnung lebt mit uns mit. Deshalb gibt es kein Zimmer, das ausschaut wie aus dem Katalog.

Viele Gegenstände begleiten mich schon lange Zeit und haben ihre eigene Geschichte. Ich habe mich schon als Jugendliche für Möbel und Design interessiert. Wir haben aber auch einige Stücke, die weder vom künstlerischen noch materiellen Wert Bedeutung haben, vom Holz und Stil nichts Besonderes sind, aber für mich unbezahlbar - etwa eine Kommode meiner Urgroßmutter.

Einen wesentlichen Teil unserer Wohnung machen die Bücher aus. Sie sind in langen Regalwänden, die über die gesamte Raumhöhe reichen, im Gang und im Schlafzimmer untergebracht. Der Platz reicht schon lange nicht mehr aus, aber es fällt schwer, sich von Büchern zu trennen.

Während man die Wohnung im Vergleich zu vor zwanzig Jahren nicht wiedererkennt, hat sich das Stadtviertel rundherum kaum verändert. Der Saggen ist ein Gründerzeitviertel mit vielen denkmalgeschützten Gebäuden. Was ich aber mit großer Freude beobachte, ist der Zuzug junger Familien. Früher war der Saggen die Gegend der Hofratswitwen, die allein in ihren großen alten Wohnungen residierten. Nun ist Leben eingezogen." (DER STANDARD, 11.10.2014)