Cyanobakterien im Fotobioreaktor bei unterschiedlichen Lichtintensitäten.

Foto: Dominik Kopp

Freiburg/Breisgau - Cyanobakterien sind Organismen, die Photosynthese betreiben und ihre Energie mithilfe von Licht gewinnen. Dabei produzieren sie Sauerstoff. Zu viel Sonnenstrahlung kann die empfindlichen Fotosynthesesysteme in den Zellen zerstören. Bislang wusste man wenig über die molekularen Mechanismen, die dafür ausschlaggebend sind, wie Cyanobakterien auf Schwankungen in der Lichtintensität reagieren.

Man nahm an, dass vor allem Signalsysteme, die aus Proteinen bestehen, diese komplexen Regulationsprozesse steuern. Nun konnten Forscher um Annegret Wilde und Wolfgang Hess von der Universität Freiburg zeigen, dass die Natur dieses Problem mithilfe eines spezialisierten RNA-Moleküls löst: PsrR1.

Wie die Forscher im Fachblatt "The Plant Cell" berichten, besteht dieses RNA-Molekül aus nur 131 Nukleotiden und ist somit fünf- bis zehnmal kleiner als durchschnittliche mRNA-Moleküle. Es zeigte sich, dass PsrR1 eine zentrale Funktion beim Umbau des Photosyntheseapparates übernimmt, wenn zu viel Licht auf die Zellen auftrifft.

Schutz vor Lichtstress

Dieses Ergebnis zeigt, dass kurze RNA-Moleküle nicht nur in höheren Organismen eine wichtige Rolle spielen, sondern auch in einzelligen Bakterien. PsrR1 ist ein so genanntes regulatorisches RNA-Molekül: Es hat einen Einfluss darauf, welche Boten-RNAs (mRNA) abgelesen werden, um ein Protein herzustellen. Die regulatorische RNA bindet an verschiedene Abschnitte der mRNA, die wiederum das Abbild eines DNA-Stückes ist.

Durch diese Bindung können sich die Translation, bei der Proteine in Zellen hergestellt werden, und die mRNA-Stabilität verringern. Dies führt dazu, dass weniger Pigmente und Proteine des Photosystems synthetisiert werden; jenes Systems, das als Teil des Photosyntheseapparates in Cyanobakterien und Pflanzen die Energie des Sonnenlichtes in chemische Energie umwandelt. Somit schützt PsrR1 den Photosyntheseapparat vor übermäßigem Lichtstress.

Bedeutende Organismen

Cyanobakterien kommen überall dort vor, wo es Licht gibt: in der Antarktis, in Wüstengebieten, Flüssen und Seen, aber auch an Hauswänden und in Aquarien. Sie bevölkerten die Erde schon vor mehr als drei Milliarden Jahren und reicherten die Atmosphäre durch ihren Stoffwechsel mit Sauerstoff an. In den Ozeanen, die 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken, sind sauerstoffproduzierende Cyanobakterien die größte Gruppe photosynthetisch aktiver Organismen.

Die ökologische Funktion von Cyanobakterien bildet somit einen Grundpfeiler der Biosphäre. Mithilfe der neuen Erkenntnisse soll die Organismengruppe für eine biotechnologische Nutzung erschlossen werden: Das Potenzial ist umfangreich und schließt etwa die mögliche Nutzung als Bioenergielieferanten, als Nahrungs- und Futtermittel oder als Produzenten von medizinischen Präparaten und Kosmetika ein. (red, derStandard.at, 9.10.2014)