Die öffentlichen Anhörungen der Kandidaten für die EU-Kommission sind keine objektiven Prüfungen. Sie sind ein politisches Testverfahren, dem sich künftige Kommissare im EU-Parlament zu unterziehen haben, bevor sie in ihre zum Teil mit großer Macht verbundenen Jobs einrücken können. Denn die Abgeordneten haben naturgemäß alle ihre politischen Interessen im Hinterkopf, wenn sie mit Bewerbern Programme durchackern.

Einzelne Mandatare haben sogar persönliche Rechnungen offen - oder wollen Destruktion betreiben, siehe die Wortbeiträge extrem rechter Mandatare. Das ist ganz normal im demokratischen Prozess. Das gehört zum politischen Geschäft. Nicht jeder wird gleich fair behandelt.

Aber bei allen Fehlern muss man doch sagen, dass das Europaparlament mit seinen Hearings den Staaten ein gutes Beispiel für transparente Politikpraxis vorgibt. Umso bedauerlicher ist es, wie die beiden Großfraktionen, Christdemokraten und Sozialdemokraten, im Finale jeden Genierer aufgaben beim Versenken der slowenischen Ex-Premierministerin Alenka Bratušek. Schon richtig: Sie war bei ihrer Anhörung eher schwach. Aber es gab sogar noch Schwächere, die durchgewunken oder ein zweites Mal angehört wurden, schriftlich oder mündlich. Nur bei Bratušek gilt die zweite Chance nicht? Lächerlich. Rot und Schwarz haben einen schmutzigen Deal gegen eine Liberale gemacht. Schade. Das Parlament ist angepatzt. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 9.10.2014)