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Russische Kosaken zogen am vergangenen Sonntag tanzend und singend durch Banja Luka. RS-Präsident Milorad Dodik hat kürzlich erst Kreml-Chef Wladimir Putin besucht.

Foto: AP Photo/Radivoje Pavicic

"Wir sind Titos Partei. Tito ist der Unsere. Und Gott wird uns helfen. Denn Gott hilft denen, die glauben", rief der Chef der Sozialdemokraten, Zlatko Lagumdzija, enthusiastisch. Der Ex-Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Mustafa Ceric, der ins Staatspräsidium will und dem die Umfragen ebenfalls nichts Gutes verheißen, sprach wiederum ausgerechnet in jenem Gebäude in der zentralbosnischen Stadt Jajce, in dem sich 1943 der Antifaschistische Rat der Nationalen Befreiung (Avnoj) versammelte, um Jugoslawien zu erfinden. Hinter dem ehemaligen Reis-ul-ulema waren eineTito-Büste zu sehen und der jugoslawische Stern.

Es ist bezeichnend für die Unernsthaftigkeit der Politik in Bosnien-Herzegowina, dass der stramme Muslim Ceric den seligen Tito und der Sozialdemokrat Lagumdzija den lieben Gott bemüht. Wenn es um Vaterfiguren geht, muss auch der verstorbene Präsident Alija Izetbegovic herhalten. Der Medienmogul Fahrudin Radoncic etwa versucht den Wählern zu verklickern, dass er der bessere Nachfolger von Izetbegovic sei als dessen eigener Sohn Bakir. Im Rennen um den bosniakischen Sitz im Staatspräsidium ist auch der Genozid-Überlebende Emir Suljagic.

Um den kroatischen Präsidiumssitz bewerben sich der Nationalist Dragan Covic und der moderate Politiker Martin Raguz, der auch um muslimische Stimmen bittet. Kürzlich gratulierte er den Muslimen zum Bajram-Fest. "Das ist unser Land", steht integrativ auf seinen Plakaten. Der politische Analyst Srecko Latal meint, dass "Raguz überraschen könnte". Falls er aber hauptsächlich mit den Stimmen von Bosniaken gewinnen würde, "könnte er wie ein weiterer Verräter der Kroaten dargestellt werden", warnt Latal.

Wichtiges Match in der RS

Als aussichtsreichste Kandidatin für den serbischen Sitz im Staatspräsidium gilt Zeljka Cvijanovic von der regierenden SNSD. Gegen sie tritt Mladen Ivanic an. In der Republika Srpska (RS) ist aber wichtiger, ob Milorad Dodik, der Präsident des Landesteils, seine Position verteidigen und ob seine SNSD die Parlamentsmehrheit halten kann. Denn Dodik hat diesmal ernst zu nehmende Konkurrenz durch die SDS mit Kandidat Ognjen Tadic. Tadic wirbt mit "Zukunft für alle", also inklusiv und nicht national.

Ein Machtwechsel könnte auch zu einer Änderung der sezessionistischen Politik der RS-Führung führen. Die nationalistischen Kroaten hätten ohne Dodik auch weniger Unterstützung für ihren Wunsch, eine eigene Entität in der Herzegowina zu bekommen. Latal räumt Dodik aber die besseren Chancen ein, wenn es um die Präsidentschaft der RS geht. Gut möglich ist aber, dass seine SNSD im Parlament einen Koalitionspartner brauchen wird. Die konkurrierende SDS setzt im Wahlkampf ganz auf Wirtschaftsentwicklung. Schließlich haben sich die Schulden der RS in den letzten acht Jahren auf 2,1 Mrd. Mark (etwa eine Mrd. Euro) verdoppelt. Die wirtschaftliche Situation ist in ganz Bosnien-Herzegowina katastrophal. Beim Geschäftsklima liegt das Land laut Weltbank auf Platz 126 von 183 Staaten. 64 Prozent der Staatseinnahmen fließen in den Apparat zurück.

Nur 106 Gesetze erlassen

Und die Performance der gesamtstaatlichen Regierung ist desaströs. Laut der NGO CCI hat diese in der vergangenen Legislaturperiode doppelt so ineffizient gearbeitet wie zuvor. So wurden nur 106 Gesetze beschlossen, im gleichen Zeitraum waren es in Serbien 500. "Alle Parteien wollen Machtpositionen übernehmen, und kaum jemand denkt an ökonomische und soziale Reformen", kritisiert Latal. Geht es um die Parlamentswahlen in der Föderation, dann liegt die bosniakische Partei SDA den Umfragen zufolge vorn. Izetbegovic ist aber weit weniger beliebt als der eben verstorbene Parteichef Sulejman Tihic. "Er ist zu nahe an der Türkei und an arabischen Familien dran", meint Latal, "das schadet ihm lokal und international." Die Türkei ist auch wirtschaftlich relativ unwichtig.

Um Nichtreligiöse und Nichtnationale buhlen neben der SDP auch die Nasa stranka und die Demokratska Fronta. Allerdings haben die bloß in Sarajevo oder Tuzla eine ernsthafte Chance. Die SDA wird sich den Partner wohl aussuchen können, möglicherweise die SDP, gerade weil Lagumdzija Verluste prognostiziert werden. "Er hat seine historische Chance verspielt", so Latal. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 9.10.2014)