Die diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger (von links): Eric Betzig, Stefan W. Hell und William E. Moerner.

Foto: Howard Hughes Medical Institute/Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie/Stanford University

Stockholm - Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an die US-Amerikaner Eric Betzig (Howard Hughes Medical Institute, Virginia) und William E. Moerner (Stanford University, Kalifornien) sowie den Deutschen Stefan W. Hell (Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen) für die Entwicklung der hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie.

Wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm erklärte, habe die bahnbrechende Arbeit der drei Laureaten die optische Mikroskopie in die Nanodimension vorstoßen lassen.

Mikroskopie im Nanobereich

Lange Zeit galt für die optische Mikroskopie eine vermeintliche Beschränkung: Es würde nie eine bessere Auflösung als die halbe Wellenlänge des Lichts geben. Mit fluoreszierenden Molekülen konnten die diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger diese Einschränkung auf geniale Weise umgehen, so das Preiskomitee.

Mit der Methode, die als Nanoskopie bekannt wurde, können Wissenschafter die Wege einzelner Moleküle in lebenden Zellen visualisieren. Sie können sehen, wie Moleküle Synapsen zwischen den Nervenzellen im Gehirn bilden; sie können Proteine aufspüren, die sich bei Parkinson-, Alzheimer- und Huntington-Erkrankungen aggregieren, ebenso wie einzelne Proteine in befruchteten Eiern, wenn diese sich zu Embryonen entwickeln.

Hell wäre fast nach Wien gekommen

Der Preis zeichnet zwei verschiedene Prinzipien aus: Eines ist das von Stefan Hell im Jahr 2000 entwickelte Verfahren der STED-Mikroskopie (Stimulated Emission Depletion), für das zwei Laserstrahlen genutzt werden. Einer regt fluoreszierende Moleküle zum Glühen an, der andere unterbindet jegliche Fluoreszenz außer im Nanometer-Bereich. Nanometer für Nanometer die untersuchte Probe zu scannen ergibt ein Bild mit einer besseren Auflösung, als das 1873 von Ernst Abbe postulierte Limit vor dieser Methode zuließ. "Als ich die Idee dazu hatte, war das schon ein Heureka-Moment", sagte Hell vor zwei Jahren bei einem Vortrag am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg.

Fast wäre Hell übrigens nach Wien gekommen: Anfangs stieß er mit seinen Ideen nämlich noch auf wenig Akzeptanz. Eine Ausnahme, so Hell, sei die TU Wien gewesen, die das Potenzial seines Mikroskopie-Verfahrens früh erkannt und ihm einen Lehrstuhl angeboten habe. Namentlich der damalige Chef des Wissenschaftsfonds FWF, Arnold Schmidt, und Laserphysiker Ferenc Krausz hätten ihn für Wien gewinnen wollen. Doch das Rennen machte die deutsche Max-Planck-Gesellschaft: "Irgendwann kam dann das Angebot von Max-Planck, und das war dann nicht zu schlagen", so Hell, der nun Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen ist.

Die zweite Methode

Eric Betzig und William Moerner legten unabhängig voneinander den Grundstein für die zweite Methode, die Einzelmolekül-Fluoreszenzspektroskopie. Das Verfahren beruht auf der Möglichkeit, die Fluoreszenz einzelner Moleküle gleichsam ein- und auszuschalten. Dafür wird die gleiche untersuchte Stelle mehrmals abgebildet, wobei jedes Mal nur vereinzelte Moleküle zum Leuchten gebracht werden. Durch Überlagerung der Einzelbilder ergibt sich ein superdichtes Bild mit Auflösung auf Nano-Ebene.

Betzig wandte diese Methode zum ersten Mal im Jahr 2006 an. Heute wird die Nanoskopie weltweit eingesetzt, wodurch täglich neue Erkenntnisse zum größten Nutzen für die gesamte Menschheit gewonnen werden, so das Nobelpreiskomitee.

Erste Reaktionen

"Ich konnte es nicht glauben", beschreibt Hell seine erste Reaktion auf die Zuerkennung des Preises. "Glücklicherweise habe ich die Stimme von Staffan Normark wiedererkannt, deshalb habe ich realisiert, dass es wahr ist. Aber ich habe eine Weile gebraucht, das zu realisieren." Der Ständige Sekretär der schwedischen Wissenschaftsakademie hatte dem Preisträger die Nachricht am Telefon mitgeteilt.

"Glücklich, aber vor allem überrascht", reagierte Eric Betzig auf die Auszeichnung. "Ich schaue seit einer halben Stunde auf meinen Computer, aber könnte genau so gut ins Nichts gucken. Ich bin wie gelähmt", so der Wissenschafter, der sich gerade für einen Vortrag in München aufhält - und nach dem ersten freudigen Schock beschloss, in einen Biergarten zum Feiern zu gehen.

Erfahren hatte Betzig von seiner Auszeichnung über Umwege: "Das Komitee hatte nur eine sehr alte Nummer von mir, darum haben sie bei meiner Ex-Frau angerufen", sagte er. Sein Sohn habe die frohe Botschaft dann entgegen genommen. "50 Prozent Freude und 50 Prozent Angst" habe der Nobelpreis bei ihm ausgelöst. "Ich mochte mein Leben, wie es bislang war", sagte Betzig. Er habe Sorge vor den Veränderungen, die nun möglicherweise auf ihn zukommen: "Eigentlich hatte ich auch so schon genug zu tun ..."

Preisverleihung im Dezember

Die Auszeichnung ist heuer mit acht Millionen schwedischen Kronen (umgerechnet etwa 870.000 Euro) dotiert. Der Preis wird am 10. Dezember, dem Todestag des 1896 gestorbenen Preisstifters, verliehen.

Im Vorjahr ging die Auszeichnung an den in Wien geborenen US-Chemiker Martin Karplus und seine US-Kollegen Michael Levitt und Arieh Warshel. Sie wurden für die Schaffung der Grundlagen für Computermodelle geehrt, die zum Verständnis und zur Vorhersage chemischer Prozesse dienen. (red/APA, derStandard.at, 8.10.2014)