"If you pay peanuts, you get monkeys" oder "There is no free lunch": Auf Englisch lässt sich manches prägnanter ausdrücken als auf Deutsch, auch eine der grundlegenden Erkenntnisse der Marktwirtschaft: Echte Schnäppchen sind rar. Was zu billig klingt, ist meist auch nichts wert.

Das sollte eigentlich nicht überraschen. Schließlich hat ja niemand etwas zu verschenken (hier einmal ein passender heimischer Werbespruch), auch kein noch so auf zusätzliche Umsätze erpichtes Unternehmen. Deshalb sollten bei jedem Angebot, das zu verlockend klingt, alle Alarmglocken klingen.

Gratisflug beim Wäschekauf

Zwei aktuelle Beispiele: Vor ein paar Wochen warb Palmers mit Gratisflügen in Europa bei Einkäufen von mehr als 100 Euro. Das Angebot klang zu gut, um wahr zu sein. Und tatsächlich war das so.

Wie "Die Presse" nun schreibt, sind viele der angebotenen Freiflüge mit stunden- und gar nächtelangen Wartezeiten verbunden, die den meisten Kunden das Reisen verleiden. Die Hotlines sind durch zahlreiche Beschwerden überlastet.

Palmers-Manager sagen, sie waren überrascht über das große Interesse an ihrer Aktion, das doppelt so groß gewesen sei wie erwartet. Offenbar hatten sie das Urteilsvermögen der Wäschekäufer und -käuferinnen überschätzt. Wenn Menschen "Gratis" oder "Schnäppchen" sehen, schalten sie das Hirn ab.

650.000 Bücher für 9,99 Euro

Ein zweites Beispiel bietet Amazon: Bei "Kindle Unlimited" kann man – auch in Österreich – ab sofort um 9,99 Euro im Monat unbegrenzt E-Books beziehen und ohne zeitliches Limit behalten. Amazon bietet 650.000 Titel, darunter 40.000 auf Deutsch.

Ein tolles Angebot, gegen das der Buchhandel sofort Sturm läuft. Aber wenn man sich die Auswahl der Bücher anschaut, kommt man bald drauf: Der Großteil ist Ramsch, auch auf Englisch. Von sechs aktuellen Büchern, die mich interessieren, habe ich kein einziges bei "Kindle Unlimited" gefunden.

Die Auswahl ähnelt eher jenen Büchertischen, die vor Buchhandlungen oder bei Flohmärkten oft aufgestellt sind. Dort kosten die Bücher meist einen oder zwei Euro. Wer will wirklich 120 Euro im Jahr dafür bezahlen, dass er nicht die Bücher lesen kann, die ihn interessieren? Wirkliche Leseratten sicher nicht. Und die anderen schaffen es kaum, auf einen Bücherkonsum zu kommen, die diesen Preis rechtfertigt – vor allem wenn man bedenkt, dass viele aktuelle Kindle-Bücher nur noch um die fünf Euro kosten.

Verschenken kann man die Bücher auch nicht. Und wer von "Kindle Unlimited" genug hat, verliert den Zugang zu allen bisher ausgeliehenen Titeln.

Büchereien sind billiger

Jeff Bezos' jüngstes Angebot ist – anders als normale E-Books bei Amazon und anderswo – seinen Preis nicht wert. Eine Mitgliedschaft bei den Wiener Städtischen Büchereien ist billiger und genauso gut.

Ich selbst bin ein begeisterter Diskont-, Rabatt-, Aktions- und Restposteneinkäufer, weil ich mich freue, wenn von meinem Geld mehr in das Produkt und weniger in die Gewinnmarge des Verkäufers fließt. Aber wenn etwas zu billig ist, also etwa weniger als den halben regulären Preis kostet, dann lasse ich die Finger davon: Da ist meist etwas faul. "0 Euro" gibt es nicht in dieser Welt.

Von der Schnäppchenfalle in die Finanzkrise

An sich ist es Privatsache, ob ein Konsument in eine Schnäppchenfalle tappt. Aber nicht in jedem Fall: Einer der Auslöser für die Weltfinanzkrise war, dass zu viele Menschen unrealistisch attraktive Finanzprodukte nutzten.

In den USA waren es die Subprime-Kredite mit Zinsaufschub, in Österreich Geldanlageprodukte wie Immo-Aktien und geschlossene Fonds mit angeblich hohem Ertrag und geringem Risiko, in Mittel- und Osteuropa Fremdwährungskredite, die einfachen Leuten von österreichischen Banken aufgedrängt wurden. Am Ende gab und gibt es ein bitteres Erwachen nicht nur für einzelne Bankkunden, sondern für das gesamte Finanzsystem.

Nun lässt sich nicht jede fragwürdige Aktion im Namen des Verbraucherschutzes regulieren und verbieten. Eine gewisse Eigenverantwortung kann die Gesellschaft vom Einzelnen ruhig verlangen. Aber das Bewusstsein, dass man bei Geschenken und Beinahe-Geschenken zweimal hinschauen sollte, könnte auch durch öffentliche Kampagnen weiter geschärft werden. (Eric Frey, derStandard.at, 8.10.2014)