Ein neues Chinarestaurant, das gut aussieht und mehr als beachtliche Küche bietet - neben Hot Pots auch köstliche Dim Sum.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ausnahmslos hausgemacht und alles andere als fad sind die Speisen im Mama Liu and Sons. Die Xia-Bing-Flade (links oben) stiehlt aber allem die Show.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Früher einmal war das Liu (später Liounge) in der Gumpendorfer Straße ein gut beleumundetes Lokal für Hot Pot - also das, was die Nachbarn in der Schweiz als "Fondue chinoise" zum Weihnachtsessen wohlsituierter Haushalte pervertiert haben. Auf einem Kocher brodeln zweierlei mehr (China) oder minder (Schweiz) aromatische Suppen, von der Tischgesellschaft wird allerhand Fleisch und Gemüse drin gargezogen, bevor es in Saucen auf fermentierter Soja- oder Erdnussbasis (China) oder buntfettige Mayo-Varianten (Schweiz) gedippt wird. Das Interieur mit grellorangem Farbschema und die Positionierung als SB-Buffet waren halt nicht ideal, um das Liu auch einer Klientel schmackhaft zu machen, die beim Auswärtsessen nicht ausschließlich in die Speisekarte und auf den Teller schauen mag.

Schick ausgestattet

Das haben auch die Betreiber, neben "Mama" Liu Mine auch die besonders zuvorkommend agierenden Söhne Liu Yong und Liu Feng, bemerkt und sich an Tzou/Lubroth gewandt, jenes austro-amerikanisch-chinesische Architekturbüro, das nach Ramien Wien Mitte, Shanghai Tan oder auch dem Neon als Spezialist für gut gestaltete Restaurants asiatischer Provenienz gilt - auch wenn sie mittlerweile längst an viel größeren, internationalen Aufträgen dran sind.

Das Mama Liu and Sons ist hübsch geworden, mit Tischen und Stühlen aus massivem Holz, mit einem in Hochglanzstahl verkleideten Bar-Kubus (der dem durchwegs jungen Publikum als ideale Projektionsfläche für den Outfit-Check auf dem Weg in die abenteuerlich gestalteten WCs dient) und mit einem antik-aktuellen Mural an der freigelegten Ziegelwand, das eine Tafelszene aus dem alten China zeigt. Zu bekritteln ist vielleicht, dass die Bude tagsüber wegen verspiegelter Fenster von außen zappenduster und abweisend aussieht - anderseits gibt es vielleicht deshalb noch bessere Chancen als im nahen Ramien, hier einen Sitzplatz zu ergattern.

Flade gut

Am Essen kann es nämlich nicht liegen. Neben den Hot Pots - riesigen Portionen, wahlweise mit Fleisch und Gemüse, Meeresfrüchten und Gemüse oder Tofu und Gemüse - gibt es nämlich eine Vielzahl diverser Teigtaschen, die alles andere als fad gefüllt und ausnahmslos hausgemacht sind. Was aber allem die Show stiehlt, ist die hauchdünne, knusprige, mit getrockneten Shrimps und Gemüse gefüllte Xia-Bing-Flade, eine Spezialität aus der Heimatstadt der Lius, Qingtian (südöstlich von Schanghai).

Von so geheimnisvoll schillernder Würzigkeit und zum Trinken (Trumer vom Fass!) animierender Knusprigkeit, dass eine einzelne auch für kleine Tischgesellschaften kaum genug sein wird. Richtig gut sind auch die fantastisch schlutzigen Wantan in chilischwangerer Erdnussauce, die fluffig geilen Schweinefleisch-Baozi aus gedämpftem Germteig, die knusprigen Tofubällchen Dou Fu Wan oder die in hefig-umamiger schwarzer Bohnensauce gebratenen Pfefferoni. Der Eindruck stimmt: Es ist eher schwierig, hier etwas zu bestellen, das nicht köstlich schmeckt. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 10.10.2014)