"Auf Arabisch sagt man: Die Verschiedenheit ist eine Gnade": Aly El Ghoubashy.

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derStandard.at: Wie beurteilen Sie das Islamgesetz?

El Ghoubashy: Ich begrüße die Bemühungen von Herrn Kurz und Herrn Ostermayer, doch nach Lesen des Entwurfs habe ich mich gefragt, mit wem die beiden Minister eigentlich verhandelt haben. Falls sie das Papier mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft ausgehandelt haben, hätte ich gerne gewusst: Wie viele Mitglieder hat diese Glaubensgemeinschaft tatsächlich? Wie viel Geld kassiert sie im Jahr von den Mitgliedern und was macht sie mit dem Geld? Wissen die Minister über die Glaubensgemeinschaft Bescheid?

derStandard.at: Was sollten sie wissen?

El Ghoubashy: Dass die Muslime keiner religiösen Institution unterliegen, wie das zum Beispiel bei den Katholiken der Fall ist. Wenn ich lese, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft bestimmen darf, wer an einer österreichischen Universität unterrichten darf und wer nicht, geht es mir nicht gut bei dem Gedanken. Wenn ein Rektor einer Uni von einem Herrn X oder einer Frau X begeistert ist, sollte er nicht noch die Glaubensgemeinschaft fragen müssen.

derStandard.at: Verstehen Sie, dass die Republik einen Gesprächspartner für "islamische Belange" braucht?

El Ghoubashy: Ja, das verstehe ich. Aber wie viele andere fühle ich mich durch die Glaubensgemeinschaft nicht vertreten. Eine Freunderlwirtschaft hat an Schulen und Universitäten nichts verloren. Wird dieses Gesetz die Qualität des Islamunterrichts verbessern? Das wären die praktischen Dinge, die wir Muslime gerne hätten. Mein Sohn hat zwar zwei Jahre lang den Islamunterricht besucht. Aber weil es keine Bücher, keine wirklichen Lehrpläne gibt und bei vielen Lehrern von Deutsch auf Maturaniveau keine Rede sein kann, haben wir ihn wieder abgemeldet.

derStandard.at: Was halten Sie davon, dass islamische Vereine ihren laufenden Betrieb nur noch mit inländischen Mitteln finanzieren dürfen?

El Ghoubashy: Ausländische Finanzierung verbieten, das kann kein Mensch. Wir sind in der EU, es gibt viele Vereine, die grenzüberschreitend zusammenarbeiten, das ist ganz normal. Wichtig wäre, dass man offenlegt, woher man das Geld bekommt.

derStandard.at: Können Sie nachvollziehen, warum man die Feststellung, dass die staatliche Ordnung über der religiösen steht, ausdrücklich im Islamgesetz verankert hat?

El Ghoubashy: Wir leben in Österreich, es gibt jede Menge Gesetze, und jeder Bürger, unabhängig seiner Religion, hat sich danach zu verhalten. Warum sollte man dies extra im Islamgesetz verankern? Muslime sind keine "Special Edition", wir sind Menschen mit verschiedensten Denkweisen, wie andere Menschen auch. Was bringt das neue Islamgesetz einer Muslimin mit Kopftuch, wenn ihr ein Arbeitsplatz aufgrund ihres Kopftuchs verweigert wird? Solche Gesetze verändern die Einstellung eines Menschen, ob Muslim oder Nichtmuslim, überhaupt nicht.

derStandard.at: Wird das Gesetz einen Beitrag zur Deradikalisierung leisten?

El Ghoubashy: Da hilft kein Gesetz, sondern nur Bildung.

derStandard.at: Das Islamgesetz sieht vor, dass die IGGiÖ festlegen muss, was offizielle islamische Lehre in Österreich ist – auch eine Koranübersetzung auf Deutsch ist vorgesehen. Gut so?

El Ghoubashy: Quatsch hoch drei, würde ein Freund von mir sagen! Wenn die Christen mit ihrem Fortschritt und ihrer Entwicklung es nie geschafft haben, eine gemeinsame Standardlehre für alle zu schaffen, wie können die Muslime mit all ihren Problemen dies schaffen? "Die Verschiedenheit ist eine Gnade", sagt man auf Arabisch. Wir können dadurch voneinander lernen. Wem nützt eine "Standardlehre" für Muslime? Soll es in Zukunft auch eine Standardlehre für Agnostiker und Atheisten geben?

derStandard.at: Laut Gesetzesentwurf hat die Islamische Glaubensgemeinschaft künftig mehr Rechte, um Funktionsträger ihres Amtes zu entheben. Die Kriterien dafür sind schwammig – von Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Moral und Rechten und Freiheiten anderer ist die Rede. Wie beurteilen Sie das?

El Ghoubashy: Alle Menschen, die die Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden, werden in Österreich bestraft, unabhängig ihrer Religion. Weshalb eine extra Bestimmung in einem extra Gesetz? Schade um die kostbare Zeit der Abgeordneten. (Maria Sterkl, derStandard.at, 8.10.2014)