Am Mittwochvormittag wurde die Parteizentrale der Tiroler SPÖ für eine Stunde von rund 50 Kurden und anderen Aktivisten besetzt. "Wir wollen, dass die Landesorganisation Druck auf die Regierung ausübt", sagt Melike Tohumcu, Sprecherin des "demokratischen Bündnisses", das die Aktion organisiert hat. "Österreich muss dazu Stellung nehmen, was in Kobanê und an der türkischen Grenze passiert" – in der syrischen Grenzstadt liefern sich IS-Extremisten und kurdische Milizionäre seit Tagen blutige Gefechte.

"Die Türkei ist für Kurden geschlossen, aber die IS-Anhänger werden in den Kliniken versorgt und wieder kriegsbereit gemacht. Das darf die internationale Gemeinschaft nicht tolerieren", sagt Tohumcu, die gebürtige Kurdin ist, aber in Innsbruck lebt. Die Tiroler Sozialdemokraten hätten nach einem kurzem Gespräch eingewilligt, eine Presseaussendung zu schreiben, Druck auf Kanzler Werner Faymann auszuüben und das Thema am nächsten Parteitag zu besprechen – damit gebe man sich vorerst zufrieden, sagt Tohumcu.

"Eingeständnis einer Niederlage"

Die kurdischstämmige Nationalratsabgeordnete Aygül Berivan Aslan (Grüne) kann den Unmut verstehen: "Seit meinem fünften Lebensjahr bin ich auf Demos. Nun bin ich 32 Jahre alt, und es hat sich nichts verändert." Erst gestern, Montag, sei sie auf der friedlichen Versammlung von rund 300 Kurden am Wiener Ring gewesen. "Wir alle opfern unsere Lebenszeit, um für Freiheit zu kämpfen. Das macht wütend und müde."

Aslan hält es für einen großen Fehler, in einem Land wie Österreich zu glauben, dass man nichts tun könne: "Das ist das Eingeständnis einer Niederlage und ein Beweis, dass die Terrororganisation IS sich erfolgreich verbreiten konnte."

Sie findet, dass nicht nur Österreich, sondern alle EU-Mitgliedsstaaten und die Vereinten Nationen viel zu spät reagiert hätten. "Man kann es nicht anders sagen, das hat tausenden Menschen das Leben gekostet", sagt Aslan. "Doch die IS wurde nicht gegründet, um die Kurden zu vernichten, sondern um eine harte Antwort auf den Westen zu sein." (Katharina Mittelstaedt, derStandard.at, 7.10.2014)