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Foto: REUTERS/Paulo Whitaker

Wien - Orangen brauchen eine dicke Haut. Vor allem, wenn auf ihnen das Logo des fairen Handels klebt. Tricksereien und Etikettenschwindel sehen deutsche Konsumentenschützer in guten Geschäften mit den Früchtchen. Im Nachrichtenmagazin Der Spiegel ist von Verbrauchertäuschung die Rede.

Kern der Kritik: Wo fair produzierter und gehandelter Orangensaft draufsteht, müssen keineswegs entsprechende Orangen drin sein. Konventionell erzeugte tun es auch. Vorausgesetzt, der gleiche Anteil an fair angebauten Früchten ist anderswo eingespeist.

Wird Fairtrade damit zum Marketinggag? Peter Pfanner verwehrt sich scharf dagegen. Rund 450 Millionen Liter Saft fließen aus den Werken des Vorarlbergers jährlich - an die zehn Millionen sind Fairtrade zertifiziert. Weltweit stellt davon keiner unter diesem Siegel mehr her. Bei fairem Orangensaft, sagt Pfanner dem Standard, ist es wie beim grünen Strom. Wer Ökoenergie kauft, erhält exakt die selbige nicht per se aus der Steckdose. Die Gesamtbilanz aber stimme. Was im Fall der Orangenbauern heißt: 30 Prozent höhere Preise für ihre Rohware, Geld fürs Gemeinwohl und Zugang zum Weltmarkt.

Multis dominieren Markt

Entscheidend sei, in einer Branche, die von Riesenplantagen und wenigen Multis dominiert wird, kleinen Betrieben an Ort und Stelle zu helfen, sagt Pfanner. Fairer Handel sei in der Saftbranche ohnehin schwer genug: 90 Prozent seiner Märkte hätten kein Interesse daran. Fairtrade auch noch wegen des Mengenausgleichs als Gesamtes infrage zu stellen, das nennt er schlicht unseriös. Zumal bei ihm bei Zucker, Ananas, Banane, Guave wie Mango nichts Konventionelles beigemengt werde.

Die Orange als böser Bube? Sie entstammt hochkomplexen Logistik- und Verarbeitungsstrukturen einer stark konzentrierten Industrie. Und lässt sich mit Tee, Zucker und Kakao in ähnliche Töpfe werfen. Für alle vier gilt: Eigene Abfüllanlagen für die an sich geringen Fairtrade-Mengen sind kaum finanzierbar und nicht konstant auszulasten. Der Griff zu Fairtrade hat hier also (anders als bei Rennern des gerechten Handels Kaffee, Bananen und Blumen, die eine Rückverfolgbarkeit einfacher machen) - salopp verkürzt - Symbolwert.

Standards nicht verwässern

Viel wichtiger ist aus Sicht von Hartwig Kirner, Chef von Fairtrade Österreich, dass die Standards für die Bauern an sich nicht verwässert, Prämien nicht untergraben und Umweltauflagen nicht aufgeweicht werden. "Aber wir brauchen Absatzwege und Volumina." Erschwere man großen Konzernen den Zugang zu Fairtrade, sei damit auch kleinen Produzenten nicht geholfen.

Was erklärt, warum ein Schokoriegel auch mit konventionellem Vanille, Nüssen oder Milchpulver unter dem Logo des fairen Handels läuft. Nur so eröffnen sich breite Absatzwege für gerecht produzierten Kakao, der freilich wertbestimmend bleibt. Denn anders als familiengeführte Mittelständler wie Zotter lassen sich internationale Weltmarken so gut wie nie auf hundert Prozent fairen Handel ein. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 6.10.2014)