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Andrea Enria, Chef der Europäischen Bankenaufsicht EBA in London, verteidigt die strenge Behandlung Osteuropas im Stresstest.

Foto: APA/Vedder

Wien - Europa unternimmt einen neuen Anlauf, seinen Bankensektor sauber zu bekommen. Keine Altlasten mehr, lautet das Ziel des aktuell laufenden Bilanzchecks durch die EZB und Wirtschaftsprüfer, ehe die Bankenaufsicht am 4. November europäisch wird. 2011 und 2012 hatte die Europäische Bankenaufsicht (EBA) mit Sitz in London bereits versucht, die Banken unter die Lupe zu nehmen. Nun drängt ihr Chef, Andrea Enria, im Standard-Gespräch auf eine rigorose Umsetzung: "Wenn eine Bank nicht lebensfähig ist, gibt es keinen Grund, das zu verheimlichen. Das verschärft nur die Probleme für die Zukunft."

Enria verteidigt zudem die relativ strengen Szenarien für Osteuropa im Vergleich zu den Krisenländern Spanien oder Italien, was gerade heimische Banken im Test belasten dürfte: "Erstmals wird ein ziemlich gravierender Währungsschock simuliert. Das geht auch auf Warnungen des Systemrisikorats zurück." Diese Warnungen vor den Fremdwährungskrediten könne auch die Bankenaufsicht nicht ignorieren.

Blut auf der Straße

"Ich weiß, dass die Medien sich hauptsächlich darauf stürzen, wie viel Blut auf der Straße liegt, also wie viele Institute am Stresstest scheitern könnten." Enria hält aber den Bilanzcheck AQR (Asset Quality Review) als Röntgenaufnahme der 120 europäischen Großbanken für den "wichtigsten Teil der Übung. Das AQR wird zeigen, wie realistisch die aktuelle Eigenkapitalquote europäischer Banken von 11,9 Prozent ist." Denn wenn diese Überprüfung zu einer Harmonisierung von Bilanzierungen und Risikovorsorgen in Europa führt, komme es endlich zu Vergleichbarkeit und Chancengleichheit auf Europas Bankenmarkt. "Das ist der wichtigste Punkt, daran sind wir 2011 gescheitert. Das war die Schwäche des Stresstests damals, dass es kein AQR gab."

Tatsächlich gab es viel Kritik an dem ersten Stresstest, etwa weil die belgische Bank Dexia kurz nach Bestehen der Untersuchung gerettet werden musste. Enria verteidigt das: "Ich halte das für einen Erfolg des Stresstests, weil wir alle Daten für die Märkte auf den Tisch gelegt haben. Wir konnten damals nicht die staatlichen Risiken zu Marktpreisen bewerten, das haben aber die Analysten gemacht. Daher musste Dexia abgewickelt werden, aber die Transparenz hat den Ausschlag gegeben."

Offene Kapitalmärkte

Seit 2011 habe sich aber viel getan. "Die Kapitalmärkte sind offen, Investoren sind sehr gewillt, Banken mit Kapital zu versorgen." Geht es nach Enria, lasse sich nur mit einem harten Bankentest das Szenario einer Stagnation wie in Japan nach einer Immobilienblase 1990 abwenden. "Wer die Realisierung von Verlusten aufschiebt, friert die Bankbilanzen mehr oder minder ein, es gibt keine neue Kreditvergabe und das trifft die Realwirtschaft. Wer den Bankensektor restrukturiert, eröffnet die Chance auf Wachstum. Europa wird das japanische Szenario verhindern."

Risiken sieht Enria bei Cocos, neuen Kapitalinstrumenten, die Banken begeben. Diese Anleihen wandeln sich, wenn eine Bank eine gewisse Kapitalisierung unterschreitet, in Eigenkapital um und sind so ein Risikopuffer. Allerdings sind diese "Contingent Convertible" Bonds hochkomplex: "Ich sehe bei Cocos wachsende Risiken durch sehr unterschiedliche Ausgestaltungen." Daher könnte die EBA aktiv werden: "Aufsichtsbehörden haben künftig mehr und mehr die Aufgabe, Vertragswerke zu standardisieren. Damit ein Instrument als regulatorisches Kapital anerkannt wird, braucht man eine gewisse Standardisierung von Klauseln, das ist unser Ziel." (sulu, DER STANDARD, 7.10.2014)