Wien - Was braucht es für ein Sterben in Würde? Diese Frage stellt sich eine Arbeitsgruppe der Bioethikkommission, die am Montag in Wien zu einer öffentlichen Sitzung lud. Ins Rollen gebracht hat die Debatte eine Forderung der ÖVP, ein Verbot der Sterbehilfe in der Verfassung zu verankern. Darauf zu fokussieren hält Mediziner Andreas Valentin, der die Arbeitsgruppe der Bioethikkommission leitet, für "völlig falsch". Allein aus dem Grund, da es diesbezüglich bereits Gesetze gibt. Eines der ersten Ziele der Arbeitsgruppe ist laut Valentin eine Bestandsaufnahme des Sterbens in Österreich. Also eine Beantwortung der Fragen: Wo wird gestorben, wann und unter welchen Umständen?

Die Gruppe arbeitet in einer "gewissen leger verzahnten Parallelität" mit der parlamentarischen Enquetekommission - unter Vorsitz von Gertrude Aubauer (ÖVP) - zusammen, erläuterte Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, bei einem Hintergrundgespräch vor der Sitzung. Bis Jahresende will die Arbeitsgruppe Empfehlungen an den Gesetzgeber formulieren.

"Begriff fallenlassen"

Dabei wird es auch um den Begriff "Sterbehilfe" gehen. "Das Beste wäre, den Begriff fallenzulassen", meint Valentin. Der Leiter der Internistischen Intensivstation an der Wiener Rudolfstiftung will "wegkommen von der Frage, was verboten gehört", hin zu der Frage, "was erforderlich ist für ein Sterben in Würde".

In Expertenkreisen ist das Wort "Sterbehilfe" im deutschsprachigen Raum schon lange umstritten. Auch der deutsche Ethikrat hat dazu aufgerufen, den Begriff fallenzulassen. Der Schweizer Palliativmediziner Gian Domenico Borasio schreibt in seinem aktuellen Buch selbst bestimmt sterben, über kaum ein Thema werde in Deutschland emotionaler und kontroversieller diskutiert, dabei hätten die Diskutanten oft "sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, um was es bei der Debatte überhaupt geht". Borasio spricht lieber von Fragen des "selbstbestimmten Sterbens".

Debatte in Deutschland

Auch in Deutschland läuft eine Debatte darüber: Auslöser war ein Gesetzesvorschlag zur Regelung des ärztlich assistierten Suizids. Dieser hätte laut Borasio das Ziel, "den Dialog am Lebensende zu stärken" und "Ängste abzubauen". Zum Beispiel die Angst davor, mit dem Arzt über Suizidgedanken zu reden. Im US-Bundesstaat Oregon gibt es ärztlich assistierten Suizid: Er betrifft laut Borasio zwei von 1000 Todesfällen. Es habe sich gezeigt, dass "ein Drittel der Patienten, die vom Arzt ein zum Tode führendes Mittel erhalten haben, dieses nicht einnimmt".

Christiane Woppen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, gab zu bedenken, dass sich die ärztliche Assistenz zum Suizid nicht zu einer gesellschaftlich üblichen Dienstleistung entwickeln dürfe. Es sei zudem klar zu regeln, wie man mit unterschiedlichen Umständen umgehe - mit jemandem, der am Lebensende steht und nur noch begrenzt zu leben hat, sowie auch mit lebensmüden und lebenssatten Menschen.

Ärzte besser ausbilden

Als wichtig und dringlich dafür, in Österreich ein Sterben in Würde möglich zu machen, erachtet Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, mehr Information für Ärzte beziehungsweise eine bessere Ausbildung für den Umgang mit den Tod betreffenden Fragen für alle Mediziner. Sie sei beispielsweise von Anästhesisten gefragt worden, wie sie mit einer Patientenverfügung verfahren sollten, ob sie denn das tun dürften, was da gewünscht war.

Die parlamentarische Enquete mit dem Thema "Sterben in Würde", zu der auch die Bioethikkommission eingeladen ist, wird am 7. November stattfinden. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 7.10.2014)