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Amtsinhaberin Dilma Rousseff muss gegen Aécio Neves in drei Wochen in die Stichwahl.

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Marina Silva muss ihre Niederlage eingestehen.

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São Paulo - Wieder einmal sollte Brasiliens populärer Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva sein politisches Gespür nicht im Stich lassen. Er hatte sich schon früh entgegen aller Umfragen auf einen Zweikampf zwischen seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff und ihrem konservativen Herausforderer Aécio Neves von der Mitte-rechts-Partei PSDB festgelegt. Der politische Ziehvater der Staatschefin sollte recht behalten.

Rousseff von der linken Arbeiterpartei PT verfehlte bei der Präsidentschaftswahl ihr Ziel einer absoluten Mehrheit deutlicher als erwartet und kam auf rund 41,6 Prozent der Stimmen. Neves, der lange in den Umfragen abgeschlagen auf Platz drei lag, überraschte mit 33,6 Prozent. Somit stehen sich wie auch in den Jahren zuvor die Kandidaten der beiden Volksparteien Brasiliens bei der Stichwahl am 26. Oktober gegenüber.

Silva nur Dritte

Nicht mehr im Rennen ist die Umweltaktivistin Marina Silva, die für viele Brasilianer lange als Hoffnungsträgerin galt. Sie verlor in Endspurt des Wahlkampfs an Zustimmung und kam nur auf 22,2 Prozent der Stimmen. Mehrere Wochen führte sie die Umfragen an und galt als härteste Konkurrentin von Rousseff. Erfolgreich schlachteten ihre Gegner Widersprüche im Wahlprogramm aus, stellten die ehemalige Kautschuksammlerin als religiöse Fanatikerin und Neoliberale dar. Vor allem Neves konnte ihr so erfolgreich Stimmen abjagen. "Für viele Wähler war der von Marina Silva propagierte dritte Weg am Ende zu ungewiss. Sie haben sich auf die traditionellen Parteien festgelegt", sagt der Politikwissenschafter Marco Antonio Teixeira von der Wirtschaftsuniversität Getúlio Vargas in São Paulo.

Bei der Stichwahl werden die Karten allerdings neu gemischt. Analysten erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Herausforderer. Dabei kann der 54-jährige Neves davon profitieren, dass rund 40 Prozent der Wähler laut Meinungsforschungsinstitut Ibope auf jeden Fall einen Sieg von Rousseff verhindern wollen. Das Wählerpotenzial der Arbeiterpartei sehen die Meinungsforscher dagegen als weitgehend ausgeschöpft an. In Brasilien herrscht Wahlpflicht. Marina Silva signalisierte bereits ihre Unterstützung für Neves im zweiten Wahlgang.

Dabei steckt auch die konservativ-liberale PSDB in einer Führungskrise und tritt alles andere als geschlossen auf. Neves gilt nicht als Wunschkandidat. In den eigenen Reihen gibt es Zweifel, ob der Sprössling einer alteingesessenen Politikerdynastie das Zeug zum Staatschef hat. Er habe zu wenig Format, sei zu flatterhaft und stelle gern sein Luxusleben zur Schau, lautet das Urteil der Kritiker.

Expräsident Lula da Silva als Wahlhelfer

Rousseff wird vor allem seine fehlende Volksnähe ausschlachten und auf ihre traditionelle Wählerklientel in der Peripherie der Großstädte sowie im armen Nordosten des Landes setzen. Sie profitieren am meisten von den umfangreichen Sozialprogrammen der Regierung. Ihr kostbarster Wahlhelfer ist dabei Expräsident Lula da Silva, der immer noch die Massen begeistert. Auch nach vier Jahren im Amt wird die 66-jährige Rousseff als technokratisch und spröde wahrgenommen.

Der Amtsinhaberin wird in der zweiten Runde des Wahlkampfes noch ein Vorteil genommen. Bisher dominierte sie im TV mit zwölf Minuten kostenloser Werbung täglich. Deren Länge hatte sich nach der Stimmenzahl der jeweiligen Koalition gerichtet. Bei der Stichwahl erhalten beide Kandidaten die gleiche Sendezeit.

Kritik an Rousseffs Interventionspolitik

Zu den Unterstützern von Neves gehört vor allem die Wirtschafts- und Finanzelite des Landes. Sie werfen Rousseff gravierende Fehlentscheidungen und eine chaotische staatliche Interventionspolitik vor, die Brasilien an den Rand der Rezession getrieben hat. Immer wenn Rousseff in den Wahlumfragen stieg, stürzte die Börse Bovespa in São Paulo ab. Die Inflation liegt bei 6,5 Prozent und wird auch im kommenden Jahr nicht sinken.

Brasilien ist eine tief gespaltene Gesellschaft, und so wird der Wahlkampf von beiden Seiten mit unverminderter Härte fortgeführt. Neves verspricht mehr Transparenz und listet die zahlreichen Korruptionsskandale der PT wie den Stimmenkauf im Parlament unter der Ära Lula auf. Ein wegen Veruntreuung inhaftierter Exmanager des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras hatte zudem pünktlich zu Wahlkampfbeginn zahlreiche Politiker der PT der Bestechung bezichtigt.

Rousseffs Programm lautet dagegen schlicht Fortsetzung des bisherigen Weges. In einer Ansprache am Sonntagabend verspricht die Amtsinhaberin, die sozialen Errungenschaften zu verteidigen. "Lasst uns nicht zu den Gespenstern der Vergangenheit zurückkehren", ruft sie vor ihren Anhängern aus. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, derStandard.at, 6.10.2014)