Grosny/Moskau - Bei einem Sprengstoffanschlag in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny wurden am Sonntag fünf Polizisten getötet und weitere zwölf verletzt. Ein Selbstmordattentäter zündete die Bombe zwei Stunden vor Beginn eines Konzerts zum Stadtgeburtstag.
Bei dem Täter soll es sich um einen 19-jährigen Bewohner Grosnys handeln. Der Mann hatte sich als Polizist ausgegeben, um an den zahlreichen Kontrollen vorbeikommen zu können. Als die Sicherheitskräfte an der Absperrung ihren "Kollegen" trotzdem kontrollieren wollten und ein Polizist sich ihm mit einem tragbaren Metalldetektor näherte, gab es eine starke Explosion.
Nicht in Konzertsaal geschafft
Über die Sprengkraft der Bombe gibt es keine Angaben. Nach Behördenangaben wäre die Opferzahl allerdings weit höher gewesen, hätte der Terrorist es in den Konzertsaal geschafft. Der Sprengsatz sei mit zahlreichen Metallteilen bestückt gewesen, um die Splitterwirkung zu erhöhen, teilten die Ermittler mit. Die fünf getöteten Polizisten sollen posthum ausgezeichnet werden. Die tschetschenische Regierung hat den Hinterbliebenen Entschädigung in Höhe von je einer Million Rubel (20.000 Euro) zugesagt.
Grosnys Stadtgeburtstag wird seit 2007 am 5. Oktober begangen - zeitgleich mit dem Geburtstag von Republikchef Ramsan Kadyrow. Deshalb werten Experten das Attentat auch als Angriff auf Kadyrow persönlich. In der russischen Presse wurde spekuliert, ob hinter den Organisatoren nicht nur tschetschenische Separatisten, sondern die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) steht, die im September die "Befreiung des Kaukasus" angekündigt hatte. Kadyrow hatte daraufhin seinerseits den Urhebern des Videos mit Vernichtung gedroht.
Dementi zu IS-Verbindung
Nach dem Anschlag dementierte Kadyrow IS-Verbindungen des Attentäters. Den Störern seiner Geburtstagsfeier drohte das Tschetschenenoberhaupt Vergeltung an: "Wir haben einen hohen Preis für den Frieden in Tschetschenien bezahlt und werden es dem unehelich geborenen Geschmeiß nicht erlauben, ihn ins Wanken zu bringen", schrieb Kadyrow. Terroristen verstünden nur die Sprache der Gewalt, erklärte er zudem.
Bürgerrechtler beschuldigen Kadyrow, nicht nur gegen Terroristen hart vorzugehen: Ihm werden Folter und Mord vorgeworfen. Umar Israilow, ein Ex-Kämpfer der Kadyrow-Garde, der 2004 nach Österreich geflohen war, hatte sich bereit erklärt, gegen Kadyrow auszusagen, und vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Klage gegen ihn eingereicht. Er wurde 2009 in Wien erschossen. Kadyrow selbst bestreitet, an dem Mord beteiligt zu sein, ebenso wie an der Ermordung der Bürgerrechtlerin Natalja Estemirowa.
Film- und Showstars
Mit seinem brutalen und autoritären Führungsstil hat Kadyrow in Tschetschenien selbst die Lage weitgehend unter Kontrolle gebracht. Der letzte größere Terroranschlag ereignete sich 2012.
Auch den Wiederaufbau der in zwei Kriegen stark zerstörten Hauptstadt Grosny hat Kadyrow in den letzten Jahren vorangetrieben. Viele Bauobjekte ließ er dabei speziell zu seinem Geburtstag eröffnen. Zu dem Ereignis fliegen regelmäßig Film- und Showstars ein. In Grosny sind schon Jean-Claude van Damme, Seal, Vanessa Mae und Hillary Swank aufgetreten. Als Journalisten wissen wollten, woher das Geld für die rauschenden Partys komme, war Kadyrows Antwort ebenso kurz wie einfach: "Allah gibt es." (André Ballin, DER STANDARD, 7.10.2014)