Salzburg - Durch den ständigen Kontakt mit der Umwelt sind alle Organe des Atemtraktes - von der Nase bis tief in die Lunge - ständig mit einer Vielzahl von Bakterien und Viren konfrontiert. Glaubte man früher, dass die Lunge "keimfrei" sei, ist das längst widerlegt. Dies sagten Experten aus Anlass der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖPG) in Salzburg (bis 4. Oktober).
"Infekte können zu akuten Verschlechterungen bei Asthma, zu sogenannten Exazerbationen führen. Die häufigsten Erreger sind Viren, hier insbesondere die Rhinoviren, also Schnupfenviren. Virusinfekte sind aber auch Wegbereiter für bakterielle Infektionen", sagte Felix Wantke vom Allergieambulatorium Floridsdorf in Wien.
In einer erst vor kurzem erschienenen wissenschaftlichen Studie wurden beispielsweise 308 Kinder zwischen vier und zwölf Jahren, davon 166 Asthmatiker, wöchentlich auf das Vorhandensein von bakteriellen Keimen in der Nase untersucht. Ebenso gab es Tests auf Virusinfektionen. Dies wurde mit dem Status der chronischen Asthmaerkrankung verglichen.
Keine Möglichkeiten, Rhinoviren-Infektionen zu verhindern
Das Ergebnis: Haemophilus influenzae-Bakterien fanden sich in 53 Prozent, Streptokokken in 17 Prozent und Moraxella catharrhalis-Keime in elf Prozent der Nasenabstriche. Wantke: "Bei einer vorliegenden Rhinoviren-Infektion stieg die Häufigkeit gleichzeitig feststellbarer Bakterien signifikant an. Streptokokken- und Moraxella-Infektionen führten zu einer Verschlechterung des Asthmas, ebenso Infektionen mit Rhinoviren."
Seit langem ist bekannt, dass beispielsweise Influenza-Infektionen zu einem stark erhöhten Risiko nachfolgender bakterieller Lungenentzündungen führen. Dies stellt eine schwerewiegende Komplikation dar.
Das Problem: Es gibt bisher keine Möglichkeiten, Rhinoviren-Infektionen zu verhindern oder ursächlich zu behandeln. An Mäusen wurden zwar schon Antikörper zur Blockade eines Rezeptors für Influenza- und andere Viren erprobt, ob dies aber auch beim Menschen umsetzbar ist, ist noch nicht bekannt.
Wie komplex das Keim-Spektrum in den Atemwegen ist, hat auch ein Forscherteam um Markus Hilty vom Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten belegt. Demnach ist die Schleimhaut des Atemtrakts mit hunderten verschiedenen Bakterienarten besiedelt.
Nicht nur ein Erreger bei Infektionskrankheiten
Dabei lässt sich nachweisen, dass sich die Keimarten in den einzelnen "Etagen", zum Beispiel im Vergleich von Nase und Bronchien, unterschieden. Das Spektrum verändert sich auch mit überstandenen Infektionen mit erfolgter Antibiotikatherapie oder infolge von Impfungen.
"Wir beginnen auch immer besser zu verstehen, dass man es bei einer Infektionskrankheit oft nicht nur mit einem Erreger zu tun hat. Die ganze Besiedelung mit Mikroorganismen spielt eine wichtige Rolle", so Hilty.
Durchgeführte Antibiotikatherapien nach bakteriellen Infektionen verändern zum Beispiel über längere Zeit hinweg durch den ausgeübten Selektionsdruck die "Bakterien-Landschaft" in den Atemwegen. Die Impfung gegen Pneumokokken ist für Kinder und für ältere Menschen fraglos wichtig. Es hat sich allerdings gezeigt, dass an die Stelle der Pneumokokken-Arten, gegen welche die Vakzine schützen, andere Erreger treten. Sie besetzen offenbar die frei gewordenen Nischen der bekämpften Pneumokokken.
2.000 Bakterien pro Quadratzentimeter Oberfläche
Hilty und sein Team haben beispielsweise im Jahr 2010 in der wissenschaftlichen Zeitschrift PloS One eine Studie veröffentlicht, in der sie bei 43 Probanden mit Asthma, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) bzw. ohne eine solche Vorbelastung die Keimbesiedelung jeweils auf drei "Etagen" der Atemwege untersucht. Es zeigte sich, dass sie mit rund 2.000 Bakterien pro Quadratzentimeter Oberfläche besiedelt waren.
Hämophilus-Bakterien fanden sich dabei viel häufiger bei Erwachsenen mit Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) als bei gesunden Probanden. Auch Kinder mit Asthma wiesen häufig diese oder ähnliche Keime auf. Sogenannte Bacteroidetes-Keime (z. B. Prevotella-Keime) wurden wiederum öfter bei den Probanden ohne Asthma oder COPD gefunden. (APA, derStandard.at, 2.10.2014)