Hugo Portisch.

Foto: ORF/Thomas Ramstorfer

Hugo Portisch hat wesentlichen Anteil daran, dass der ORF heute so aussieht, wie er es tut. Vor 50 Jahren war der damalige "Kurier"-Chefredakteur Mitinitiator des Rundfunkvolksbegehrens, das von über 830.000 Menschen unterzeichnete wurde und später zur ORF-Reform führte. Der APA beantwortete Portisch anlässlich des Jubiläums einige Fragen per E-Mail.

Der Startschuss zum Rundfunkvolksbegehren jährt sich am 5. Oktober zum 50. Mal. Wie präsent sind Ihnen noch die Ereignisse, die damals dazu geführt haben?

Portisch: Sehr präsent. Ich sehe es noch vor mir, das ausgehandelte Geheimabkommen der ÖVP und SPÖ, alle Führungsposten im Hörfunk und Fernsehen doppelt zu besetzen: Radio Schwarz-Rot, Fernsehen Rot-Schwarz. Damit sollte der ORF der totalen Kontrolle der beiden Parteien unterstellt werden. Einen Anschlag gegen die Demokratie nannte ich das in dem Kommentar, in dem ich die Leser zum Protest und zur Unterschriftleistung für ein Volksbegehren zur Reform des Rundfunks aufforderte.

Wie fällt Ihr aktuelles Urteil zum ORF aus? Ist die Unabhängigkeit in Ihren Augen gewährleistet oder hat die Politik nach wie vor ein großes Interesse, sich "ihren" ORF zu formen?

Portisch: Die Politik hat dieses Interesse nie aufgegeben, alle Regierungen von Kreisky bis heute haben versucht, Einfluss zu nehmen und ihren Einfluss zu sichern, wo es ging. Aber es ging nicht mehr so einfach wie früher. Die Reform hat den ORF selbstbewusster gemacht und die Unabhängigkeit seiner Journalisten nachhaltig gesichert. Ohne diese Reform hätten der Postenschacher und die Parteikontrollen vermutlich noch sehr lange angehalten.

In den vergangenen Jahren haben die Journalisten des ORF mehrfach für ihre Unabhängigkeit gekämpft. Werden sie dies auch künftig tun müssen?

Portisch: Ob sie es tun werden müssen, weiß ich nicht. Dass sie es tun werden, wenn sie es müssen, davon bin ich überzeugt.

Eine neue ORF-Reform wurde immer wieder in Aussicht gestellt, passiert ist in den vergangenen Jahren allerdings wenig. Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern? Ist eine Reform notwendig?

Portisch: Natürlich wollen die Regierungsparteien ihre Einflussmöglichkeiten möglichst beibehalten. Um sie zur Aufgabe ihres Besitzstandes zu zwingen, bedurfte es damals eines gewaltigen Schulterschlusses der Zeitungen und der Öffentlichkeit, einer allgemeinen Empörung über den alles dominierenden Proporz. Es war der Erfolg des Volksbegehrens, dass dieser Proporz nicht nur im ORF, sondern weitgehend im Lande abgebaut wurde. Im ORF haben die Parteien zwar ihren Einfluss wieder gefestigt, aber die Journalisten lassen sich ihre kritische und unabhängige Meinung und Berichterstattung nicht verbieten - immer noch im Geiste der Volksbegehrensreform. Das Publikum spürt das. Und so fehlt die allgemeine Empörung, und damit der Druck zur Reform.

Verändert hat sich natürlich auch die Medienlandschaft seit den 1960er Jahren. Wie sehen Sie heute das Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, auch was die Qualität der Information, des Journalismus betrifft?

Portisch: Nicht die privaten Sender, sondern schon die Möglichkeit, alle deutschen Sender zu empfangen, hat die Rundfunkwelt entscheidend verändert. Von da an ging es um Quoten, also um die Anzahl der Zuseher, von der wieder die Werbeeinnahmen abhängen. Das hat die Öffentlich-Rechtlichen schon vorher nicht in Deutschland und danach auch nicht in Österreich qualitativ aufgebessert. Und das wird sich auch durch die Konkurrenz der Privaten nicht verbessern. Mit einer großen Ausnahme: Auf dem Gebiet der Information - da zählt die Eigenleistung, die Kompetenz und Erfahrung bei der Wertung der Nachrichten, bei der Berichterstattung von Ort und Stelle, bei der Erklärung und Aufklärung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Vorgänge im Lande, in Europa, in der Welt. Dieser Wettbewerb kann allen nur nützen. (Christoph Griessner, APA, 2.10.2014)