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Philippe Jordan dirigiert Donnerstag seine Symphoniker.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Es gab eine Zeit, da war Philippe Jordan Assistent von Daniel Barenboim und damit in einer Situation voller Rätsel: "Ich brauchte eineinhalb Jahre, um zu verstehen, wie er funktioniert und worum es ihm geht. Ich kam aus der handwerklichen Kapellmeisterschule, doch das ist nichts, was ihn interessiert. Man konnte ihn nicht fragen, wie er die eine oder andere Werkstelle schlägt. Ihm geht es um musikalische Aspekte, er entwickelt die Dinge aus den Inhalten. So hat er seinen Assistenten nie wirklich Antworten gegeben. Er hat uns eher animiert, Fragen zu stellen und so einen eigenen Weg zu finden."

Jordan (40) hat den seinen gefunden. Er ist einer der versierten Dirigenten seiner Generation und als solcher musikalischer Direktor der Opéra National de Paris. Zudem hat er nun offiziell seine Funktion als Chefdirigent der Wiener Symphoniker angetreten - als jemand, der mit großen romantischen Klangkörpern arbeitet, dabei jedoch die Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis bedenkt.

Das wird auch bei den Symphonikern Früchte tragen. Neben Romantik und Zeitgenössischem sollen auch Wiener Klassik und Barock eine Rolle spielen. "Als ich hier noch Gastdirigent war, konnte ich sehen, dass etwa Barock - wie bei anderen großen Orchestern - nicht so selbstverständlich beherrscht wird. Aber auch bei Beethoven: Wenn man den doch ein bisschen deutlicher spielen will, artikulierter und in kleinerer Besetzung, hörte ich schon Dinge, die verbesserungswürdig wären." Vieles lässt sich da erarbeiten, aber für magische Interpretationen gäbe es auch dann keine Gewähr. "Man weiß nicht, wie sie entstehen, da gibt es keinen Garantieschein; tausende Aspekte spielen da hinein. Natürlich: Große ältere Dirigenten punkten durch Erfahrung wie Persönlichkeit. Und: Sie geben den Musikern etwas vor, aber mit dem Gefühl, es käme von ihnen. Bei Abbado habe ich das etwa erlebt."

Ebenso bleibt rätselhaft, wieso man sich mit dem einen Orchester gut versteht und mit dem anderen nicht. Mit den Symphonikern jedenfalls hat es für Jordan auf Anhieb geklappt. Und er hatte Vergleichschancen: Nachdem er als Musikchef der Grazer Oper aufgehört hatte, verordnete sich der Schweizer "wichtige Wanderjahre. Ich wollte verschiedene Orchester kennenlernen, um sozusagen ein eigenes Instrument zu finden. Ich wollte 2004 nach Graz nicht gleich irgendwo wieder Chef sein. Es ist wichtig, sich nicht zu früh durch eine Stelle ,auffressen' zu lassen. Andererseits will ich die Wanderjahre nicht mehr erleben. Dieses ständige Kofferpacken, die Security auf den Flughäfen ..."

Bis zu zwölf Wochen, hofft er, mit den Symphonikern, die er am Donnerstag im Konzerthaus dirigiert, jährlich zusammenarbeiten zu können und dabei auch eine Linie ins Repertoire zu bringen. "Bisher hatten sie ein sehr buntes Angebot, was gut ist für die Flexibilität. Es produziert aber keine Nachhaltigkeit, so man eine Schubert-Symphonie spielt und die nächste erst Jahre später."

Insofern sei es wichtig, seine Programme selbst zusammenzustellen und nicht nur durch Veranstalter bestimmen zu lassen. Auch durch das Naheverhältnis zum Wiener Konzerthaus sei das nun möglich. "Wir haben kein eigenes Haus. Aber durch diese Bindung ergeben sich schon mehr Gestaltungsmöglichkeit - das war uns wichtig."

Herausgekommen ist dabei auch das neue Konzertformat friday@7. Das normale Konzert dauert eine Stunde, danach wird im Foyer in lockerer Atmosphäre weitermusiziert. Am 21. November hört man etwa Jordan mit Khatia Buniatishvili beim vierhändigen Klavierplausch. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 2.10.2014)