Eigentlich ist es ganz einfach. Seit März dieses Jahres haben die EU, die USA und einige andere Nationen nach und nach immer härtere Sanktionen gegen Personen und Unternehmen in der Ukraine und in Russland verhängt, die mit der russischen Annexion der Krim und der Militärintervention in der Ostukraine verbunden sind. Auf langen Listen steht, mit wem man welche Geschäfte nicht mehr machen darf, wenn man nicht gegen das Sanktionsregime verstoßen will.

Doch so einfach ist es für viele österreichische Unternehmen, die seit Jahren mit Russland Geschäfte machen und ihre Beziehungen nicht völlig abbrechen wollen, nicht. "Es gibt immer Grauzonen im Sanktionsbereich, und die Strafen können empfindlich sein", sagt Stephan Denk, Rechtsanwalt und Counsel bei Freshfields in Wien.

Mit wem darf man nicht? Bei russischen Banken und Ölkonzernen, die zuletzt auf die Sanktionsliste kamen, ist es klar. Schwieriger ist es bei Unternehmen, die Personen auf der Sanktionsliste zugerechnet werden. "Die wirtschaftliche Eigentümerschaft ist oft schwer zu beweisen, und wenn einmal Gelder eingefroren sind, dann liegt die Beweislast bei dir", sagt Franz Heidinger, Partner bei Alix Frank. "Aber in Russland gibt es kein Onlinesystem, das darüber Auskunft gibt, wer hinter einem Unternehmen steht." Heidinger empfiehlt die Inanspruchnahme privater Informationsdienste wie Russia Consulting, um die notwendige Sorgfaltspflicht zu erfüllen.

Banken als Schutzwall

Ein wichtiger Schutzwall gegen mögliche Verstöße sind die Banken, die fragwürdige Transaktionen meist sofort stoppen. "Die Bank hat schon aufgrund der Geldwäschebestimmungen eine Überwachungspflicht", sagt Jasna Zwitter-Tehovnik, Partnerin bei DLA Piper.

Kompliziert wird es bei Töchtern russischer Unternehmen in der EU, die selbst nicht auf der Liste stehen, aber erhaltene Gelder weiterreichen könnten. "Eine unmittelbare oder mittelbare Umgehung bewirkt Nichtigkeit", sagt Zwitter-Tehovnik. "Liegt ein solcher Verdacht vor, wird das finanzierende Unternehmen ganz klar beweisen müssen, dass es nicht gegen Sanktionen verstoßen hat."

Besonders riskant wird es, wenn US-Bestimmungen ins Spiel kommen. Obwohl bei Russland die Politik von EU und USA gut aufeinander abgestimmt ist, gibt es feine Unterschiede. Die USA haben härtere Strafen als die EU und setzen ihre Gesetze auch extraterritorial, also weltweit, durch. Das trifft eigentlich nur Unternehmen, die in den USA aktiv sind. Aber: "Sobald ich eine Dollar-Überweisung mache, ist eine US-Bank involviert, und die wird die Gelder einfrieren, wenn der Empfänger auf der Sanktionsliste steht", sagt Heidinger. "Da besteht ein doppelter Sanktionsdruck: Das Geld ist weg, und der Kunde fragt: Was ist mit meiner Durchführung?"

Oft kommt es de facto zur Durchsetzung amerikanischer Vorschriften in Europa, betont Denk von Freshfields. "Wenn amerikanische Banken involviert sind, dann wird der Standard auf US-Niveau gehoben, weil die US-Banken sonst nicht mitmachen können."

Beim Verkauf von Technologiegütern wurden viele der "Dual-Use" -Bestimmungen, die schon zur Zeit des Kalten Krieges angewandt wurden, wieder ins Leben gerufen, sagt Klara Jaros, Rechtsanwältin bei Schönherr. "Da gibt es klare Regelungen - dieser Prozess ist seit Jahren gut aufgestellt."

Freistellungsbescheid

Wer sich nicht sicher ist: Unternehmen können im Wirtschaftsministerium einen Freistellungsbescheid beantragen, der sie vom Rechtsrisiko befreit. "Unsere Erfahrung zeigt: Die Behörden sind da sehr kooperativ", sagt Denk.

Weniger klar ist die Lage bei finanziellen Sanktionen und Maßnahmen gegen Einzelpersonen, für deren Überprüfung die Nationalbank zuständig ist. Zwar könne man sich telefonisch Auskunft von der OeNB holen, aber dies sei nicht unbedingt verbindlich, sagt Jaros. Anders als etwa in den USA oder Großbritannien gebe es in Österreich keine umfassenden Leitfäden, etwa in Form von "Frequently Asked Questions" auf der Website einer Behörde. "Ein solches Webtool wäre wirklich hilfreich", sagt Jaros. "Andere Länder haben da viel mehr Erfahrung."

Positiv sei hingegen, dass die OeNB nicht unbedingt versuche, bestehende Geschäftsbeziehungen mit Russland zu beenden, fügt Jaros hinzu. Ihr ginge es eher darum, Vermögenswerte für zukünftige allfällige Schadenersatzansprüche zu sichern, statt Unternehmen zu schaden. "In Großbritannien heißt es da viel eher: Stop doing Business", so Jaros.

Keinesfalls dürfe man mit einem Geschäft den Anschein einer Umgehung erzeugen, betonen alle Anwälte. So sei es keine Lösung, über ein Drittland an ein sanktioniertes russisches Unternehmen etwas zu verkaufen, wenn es klar ist, wer der Endempfänger ist. "Wenn man zu überlegen beginnt, ob es legale Möglichkeiten gibt, seine Produkte loszuwerden, steht man bereits im Verdacht der Umgehung", sagt Denk.

Um sich abzusichern, ist es entscheidend, jeden Schritt ordentlich zu dokumentieren. Dabei kommt den Unternehmen zugute, dass sie in den vergangenen Jahren alle in Sachen Compliance, etwa im Kampf gegen Korruption, ohnehin aufgerüstet haben. Vorstände und Geschäftsführer wüssten inzwischen, dass sie für die Versäumnisse ihrer Mitarbeiter haften und daher funktionierende Kontrollsysteme benötigen. "Wenn etwas danebengeht, dann ist es meistens ein Problem bei der Compliance-Struktur selbst", sagt Denk.

Wichtiger als die Strafdrohungen sei für Unternehmen die Sorge um den guten Ruf, der selbst dann in Gefahr sein kann, wenn man sich an die Buchstaben des Gesetzes hält. "Den meisten Unternehmen geht es weniger um die Strafen als um das Reputationsrisiko, als Sanktionsbrecher gebrandmarkt zu werden", sagt Denk. "Deshalb sind die Unternehmen vorerst sehr vorsichtig und sagen einmal: Hände weg. Es geht nicht nur um die Frage, was ist erlaubt und was nicht, sondern auch: Wie schamlos nütze ich gewisse Freiräume aus?"

Das erklärt auch, warum das Sanktionsregime die russische Wirtschaft härter getroffen hat, als es die einzelnen Maßnahmen nahelegen. Unternehmen und Banken machen einen größeren Bogen um Russland, als es eigentlich notwendig wäre. Für Denk spricht allerdings "nichts dagegen, die rechtlichen Möglichkeiten auszunützen. Wenn der Gesetzgeber Lücken gelassen hat, dann hat er das absichtlich getan."

Kein Schadenersatz

Zivilrechtliche Folgen dürften die Sanktionen nur wenige haben. Weder haben betroffene westliche Unternehmen ein Anrecht auf Schadenersatz, noch wird man schadenersatzpflichtig gegenüber Geschäftspartnern, wenn man sich sanktionskonform verhält, betont Jaros. Allerdings dürfe man nicht die Sanktionen dazu verwenden, sich rechtmäßiger Forderungen zu entledigen. "Dann muss man die Zahlung irgendwo hinterlegen, man darf sich nicht mit Hinweis auf die Sanktionen herumschummeln."

Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Maßnahmen gibt es allerdings von manchen. Vonseiten des Völkerrechts gebe es auch ohne einen Sanktus des Uno-Sicherheitsrates die Möglichkeit, dass Staaten Zwangsmaßnahmen erlassen, um auf Rechtsverletzungen anderer zu reagieren, sagt Gerhard Hafner, Professor für Völkerrecht an der Universität Wien. "Diese haben dann keinen Strafcharakter, sondern müssen dazu geeignet sein, den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen", sagt er mit Hinweis auf Artikel 49 über die Staatenverantwortlichkeit der International Law Commission der Uno.

Auch gegen die Welthandelsverträge würden solche Sanktionen nicht verstoßen, denn diese sehen Ausnahmebestimmungen vor, wenn wesentliche Sicherheitsinteressen im Spiel sind.

Aber manche Maßnahmen könnten gegen die Menschenrechte verstoßen. Bei Einreiseverboten sieht Hafner kein Problem, "weil es kein Anrecht auf Einreise gibt. Aber beim Einfrieren von Konten wird schon ins Recht auf Eigentum eingegriffen." Tatsächlich hat der EuGH in Fällen, die iranische Staatsbürger, eine syrische Bank oder zuletzt einen weißrussischen Journalisten betroffen haben, verlangt, dass die EU sie von der Sperrliste nimmt. (DER STANDARD, 2.10.2014)