Wien - Es war nicht nur das Erste seiner Art in der Zweiten Republik, sondern auch Grundlage für eine der bedeutendsten Zäsuren der heimischen Mediengeschichte: das Rundfunkvolksbegehren. Am 5. Oktober jährt sich dessen Startschuss zum 50. Mal. Das von unabhängigen Zeitungen initiierte Volksbegehren sollte letztlich über 830.000 Stimmen erhalten und zur Rundfunkreform 1966 und einem neuen ORF führen.

Ausschlag: "Anschlag auf die Demokratie"

Den Ausschlag für die Initiative gab ein "Anschlag auf die Demokratie", wie es Hugo Portisch in seinem Buch "Medienpioniere erzählen" vor zehn Jahren formulierte. Portisch hatte als Chefredakteur des "Kurier" von einem Abkommen zwischen ÖVP und SPÖ Wind bekommen, wonach der Rundfunk nach allen Regeln der Proporz-Kunst aufgeteilt werden sollte. Gerd Bacher spricht in derselben Publikation vom Österreichischen Rundfunk als "Medienruine" zur damaligen Zeit. "Und zwar in jeder Hinsicht, in Programm, Technik und Bauten."

Letztlich sollten sich 52 Zeitungen und Zeitschriften an der Initiative beteiligen, neben Portisch waren besonders Fritz Csoklich (Chefredakteur "Kleine Zeitung"), Hermann Stöger (Chef vom Dienst "Kurier") und Bruno Flajnik (Chefredakteur "Wochenpresse") treibende Kräfte des Vorhabens. Einen Verbündeten fanden sie im Präsidenten der Journalistengewerkschaft, Günther Nenning, während sich TV und Radio über das Volksbegehren ausschwiegen. Das erste von bis dato 37 Volksbegehren rangiert im historischen Stimmenvergleich nach wie vor auf Platz fünf.

Ziemlich klarer Programmauftrag

Die Folgen des Erfolgs ließen Mitte der 1960er Jahre aber etwas auf sich warten: Es sollte noch zwei Jahre dauern, bis 1966 unter einer ÖVP-Alleinregierung die Reform des Rundfunks Realität wurde. Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt der ORF auf dieser Basis einen klaren Programmauftrag. Der Generalintendant war an keinerlei Weisungen gebunden, die ORF-Redakteure wurden zur objektiven Berichterstattung verpflichtet, wie der langjährige ORF-Landesintendant Paul Twaroch in "Vom Dampfradio zur Klangtapete" festhielt.

Erster General: Bacher

Erster Generalintendant des "neuen" ORF wurde Gerd Bacher. Es entstand ein "neues Selbstbewusstsein" des Senders, wie sich Johannes Kunz in seinen kürzlich erschienenen Memoiren "Licht und Schatten" erinnerte. Er war zu jener Zeit als Jungjournalist beim ORF und sollte später TV-Informationsintendant werden. Die Ende der 1960er etablierten Gestaltungsgrundsätze waren aus seiner Sicht "eine sinnvolle Arbeitsanleitung", gleichzeitig sei darin aber auch die "streng zentralistische Entscheidungsstruktur" innerhalb des Unternehmens deutlich geworden, die "gesellschaftspolitischen Sprengstoff" enthielt.

Im Zuge der Reform erhielt der ORF jene Strukturen, die im Prinzip bis heute gelten. "Wir konnten den Rundfunk 'über Nacht' in ein völlig neues demokratisches Instrument umwandeln", blickt Portisch zurück. Und auch der jetzige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz merkte kürzlich an, dass der ORF "grob gesprochen" nach wie vor auf Basis des Models aus 1967 aufgestellt sei. Diese Grundstruktur steht nun vor einem Wandel, bis 2017 soll es klare Verantwortlichkeiten für die einzelnen Produkte geben.

Vom trimedial aufgestellten und beispielsweise über vier TV-Vollprogramme verfügenden ORF war man 1967 aber noch ein Stück entfernt. Stattdessen sorgte in den Jahren nach der Rundfunkreform die SPÖ für eine Einengung der zunächst zugesprochenen Freiräume. 1974 beschloss die Partei, die unter Bruno Kreisky mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet war, ein neues Rundfunkgesetz.

Reform retour

Neu geschaffen wurde anstelle vom Aufsichtsrat das Kuratorium als höchstes Leitungs- und Kontrollorgan. Bacher verfehlte dort im selben Jahr die Mehrheit, der Justizbeamte Otto Oberhammer wurde sein Nachfolger. Der "Tiger", wie Bacher genannt wurde, kehrte aber noch mehrmals in den ORF zurück: Seine letzte Amtszeit am Küniglberg absolvierte er von 1990 bis 1994.

Dauerthema Unabhängigkeit

Dass die Unabhängigkeit des ORF aber auch in jüngerer Zeit immer wieder unter Druck geraten ist, darauf machte beispielsweise die Initiative "SOS ORF" aufmerksam. Wiederholt wurde auch von politischer Seite eine Reform des ORF in Aussicht gestellt, bis auf kleine Novellierungen und Anpassungen des ORF-Gesetzes ist aber kein Ergebnis zustande gekommen.

Oft gefordert wurde in diesem Zusammenhang eine Neugestaltung der Gremienstruktur und der Besetzung von Stiftungs- sowie Publikumsrat. Ein Engagement in diese Richtung sei derzeit seitens der Politik aber nicht erkennbar, wie etwa Publikumsrats-Vorsitzende Ilse Brandner-Radinger jüngst erklärte. "Und ich glaube auch nicht, dass das in nächster Zeit stärker werden könnte."

Unabhängig davon erinnern am 3. Oktober der Presseclub Concordia, die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform, das Demokratiezentrum Wien sowie die Journalistengewerkschaft an den Jahrestag des Rundfunkvolksbegehrens. Im Rahmen einer "Matinee der Erinnerung" in Wien werden dabei auch Persönlichkeiten wie Bacher, der langjährige ORF-Journalist Peter Huemer oder der frühere Chef der ORF-Öffentlichkeitsarbeit, Kurt Bergmann, zu Wort kommen. (APA, 1.10.2014)