Ein Rechtsprofessor im Kampf für mehr Demokratie in Hongkong: Benny Tai Yiu-ting.

Sakko, Pullunder, akkurat getrimmte Frisur, gute Manieren und ein sanftmütiger Gelehrtenhabitus - Revolutionäre werden landläufig eher anders beschrieben. An Benny Tai Yiu-ting ist so gar nichts von einem charismatischen Volkstribunen und flamboyanten Aufrührer. Wenn er vor Menschen spricht, hört es sich eher nach Vorlesung an oder nach einer Predigt. Gehasst, ja sogar gefürchtet wird er in Peking trotzdem. Mitstreiter nennen den netten Rechtsprofessor von der Universität Hongkong - halb im Spaß, halb im Ernst - deswegen sogar "den gefährlichsten Mann in der Stadt".

Tai, Jahrgang 1964, hat vor anderthalb Jahren die "Occupy Central with Love and Peace"-Kampagne gegründet und ist einer der führenden Köpfe hinter der Demokratiebewegung in der südchinesischen Metropole. Als zuletzt bekannt wurde, dass Peking alle Kandidaten für das Amt des Hongkonger Verwaltungschefs vorbestimmen und somit eine freie Wahl im Jahr 2017 verhindern will, rief er Feuer: "In Hongkong brennt es! Hongkong ist krank! Es muss etwas unternommen werden. Schmerzmittel helfen nicht gegen die Ursache einer Krankheit. Nur freie Wahlen können die marode Regierungsführung kurieren. Es ist unsere Pflicht vor den Bürgern Hongkongs, dass wir etwas unternehmen und Warnsignale aussenden!"

Und diese Signale, sie kommen an. Bereits im Juni haben sich beinahe 800.000 Bürger an einem inoffiziellen Referendum beteiligt, das echte Demokratie in der ehemaligen britischen Kronkolonie forderte (die Peking-treue Fraktion ließ indes 930.000 Menschen dagegen mobilisieren). Nun bringt Tai den Massenprotest auf die Straßen und blockiert den zentralen Finanzbezirk, das Herz der Stadt, und fordert damit die absolute Kontrollmacht der ehemals revolutionären Kommunistischen Partei Chinas offen mit zivilem Ungehorsam heraus.

Gegnern, die ihm erklären, dass vielleicht das kleine Hongkong, aber sicher nicht das große China bereit für Demokratie sei, sagt er: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sinke die Legitimität der Zentralregierung. Es könne also nur gut für die Volksrepublik sein, wenn auch deren Führung eine neue, demokratische Legitimierung erfahre - vielleicht nicht hier und heute, aber doch in zehn oder 20 Jahren.

Eine gewagte Vision. Bis es dazu kommt, werden die Feuerschreie und Signalrufe aus Hongkong noch länger und lauter ertönen müssen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 1.10.2014)