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Jagd auf junge Männer: Scarlett Johansson in Jonathan Glazers Scifi-Horror-Melange "Under the Skin".

Foto: AP/A24 Films

Wien - Ein Licht, nicht mehr, leuchtet zu Beginn von Under the Skin auf, fast unmerklich geht es dann in das Bild einer Iris über. Dazu hören wir, wie einzelne Silben, Wörter ausgesprochen werden. Ein fremdes Wesen wagt erste Schritte des Menschseins. Etwas später sehen wir, wie eine nackte Frau in einem völlig weißen Raum die Kleider einer anderen überstreift, die leblos vor ihr liegt. Jetzt hat das Wesen ein reizvolles Äußeres. Scarlett Johansson verkörpert es, mit schwarzen Haaren und rotem Lippenstift.

Der britische Regisseur Jonathan Glazer hat mit Under the Skin einen Film irgendwo zwischen Science-Fiction, Horror und Experimentalfilm gedreht. Anstatt den Zuschauer mit einer spannungsgeladenen Handlung zu ködern, arbeitet er mit einer ausgeklügelten Strategie der Verunsicherung, die vieles im Dunklen, Ungefähren belässt. Was das Alien antreibt, was es auf der Erde überhaupt will, das erfahren wir nur in Ansätzen. Es gibt keinen Posten der Vernunft, niemanden, der Sicherheiten gewährt.

Der Blick des Films bleibt eng an seine Heldin gebunden. Glazer entfremdet uns auch von dem, was wir zu sehen gewöhnt sind. In der Stadt beobachtet die Frau aus ihrem weißen Van stumm Passanten; erst später, wenn sie Männer zur Mitfahrt überreden möchte, erkennen wir, dass sie nach Beute Ausschau hält. Sie verhält sich wie eine Venusfalle, die durch Schönheit blendet und ihren Fang in die tödliche Falle lockt.

Das Bild für diesen Ort ist als verstörende Kombination aus minimalistischem Produktionsdesign und visueller Abstraktion inszeniert. Mit erigiertem Schwanz versinken die Männer, gebannt von ihrer Verführerin, in einer gallertartigen Flüssigkeit. Die beklemmende, traum(a)ähnliche Wirkung dieser Szenen verdankt sich nicht zuletzt auch dem fantastischen Sounddesign der jungen Musikerin Mica Levi, die schrille Geigen mit elektronischen Basstönen kombiniert.

Glazer, der sich bereits in seinen früheren Filmen Sexy Beast und Birth auf irritierende Oberflächen verstand, nutzt auch profanere Schauplätze für verwirrende Verschiebungen. Der Film spielt ausschließlich in Schottland, an urbanen Rändern, bevorzugt in der Nacht, auf unbelebten Straßen und Clubs; später wechselt er in eine Natur, die ähnlich rau und unbeugsam erscheint. Wie als Antithese auf den dominanten Sozialrealismus im britischen Kino erscheinen die Räume hier unpersönlich, kalt: Die empathielose Heldin, ihr Zusammentreffen mit Singles, Banden, Freaks, das hat auch etwas von einer befremdlichen Versuchsanordnung. Besonders effektiv tritt es in einer Szene am Meer zutage, bei der die Jägerin eine Familientragödie völlig ungerührt beobachtet.

Johansson spielt ihre Figur mit dem Instinkt einer Katze, neugierig, erstaunt schaut sie auf die Welt. Ihr millionenschwerer Starkörper ist hier nicht nur Köder, er bietet der Figur auch ein Versteck. In einer Form von äußerlicher Nachahmung nähert sich das Alien später der Menschheit an - genug, um als Frau wahrgenommen zu werden. Das verändert alle Rollen, und auf verblüffende Weise vermag Glazer auch unseren Blick neu einzurichten.

Under the Skin hat im vergangenen Jahr vor allem auf Festivals reüssiert. Dass er nun im Gartenbaukino zu sehen sein wird, verdankt sich einer Initiative von Kinobetreibern. Der Verleiher hatte keinen Release vorgesehen. Man sollte sich die Gelegenheit für diese besonderen Film nicht entgehen lassen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 1.10.2014)