"Out of the Blue": Die Wandschrift des US-Künstlers Lawrence Wiener dient als Motto der Ausstellung. Erzählerische und abstrakte Positionen beschäftigen sich mit der Farbe Blau.

Foto: Stephan Wyckoff, Kunsthalle

Wien - Das erste Werk, das Yves Klein signierte, war 1946 der blaue Himmel; ihn erklärte der damals 18-Jährige kurzweg zu seinem immateriellen Kunstwerk. Elf Jahre später stellte er erstmals elf ident gemalte, monochrome Bilder in einem atemberaubenden Blau aus.

Eines davon hängt nun in der Kunsthalle auf der arabesken, weiß-blau verschachtelten Wandmalerei des Briten Liam Gillick. Kunstgeschichte auf Kunstgeschichte sozusagen, Gillicks Werk aus den späten 1990er-Jahren als Hintergrund für Kleins Monochrome Bleu sowie als Kulisse für den Super blauen Reiter (1998) des Belgiers Walter Swennen - eine ironische Hommage und Mantel-Degen-Persiflage der Blauen Reiter um Wassily Kandinsky und Franz Marc. Es war übrigens Kandinsky, der sagte: "Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem."

Blau. Farbe des Himmels, der Weite und Unendlichkeit, edlen Blutes und Wassers, des Unbewussten und Unbekannten, der Melancholie und Trunkenheit. Farbe der völkerverbindenden Europafahne, aber auch der rechten, oft völkisch-nationalen Parteien. Schon Goethe schrieb: "Wie Gelb die nächste Farbe am Licht, so ist Blau ein Schleier des Schwarzen. Man kann sagen, dass Blau immer etwas Dunkles mit sich führe."

Blau machen, Blues haben, Blaupause einlegen. Sicher, eine Ausstellung, deren thematische Klammer eine Farbe ist, könnte recht albern sein. Zu viel, zu breit, zu disparat. Und mittendrin der Blaue Salon, eine Art Wunderkammer und Kuriositätenkabinett mit blauen Cremetöpfchen und Schlumpffiguren.

Zerbrechlichkeit

Doch den Kuratoren Amira Gad (Serpentine Gallery, London) und Nicolaus Schafhausen (Kunsthallen-Chef) ist eine erhellende Schau geglückt - sozusagen Out of the Blue, wie Laurence Wieners Wandtext beim Eingang verheißt.

Dreißig in jeder Hinsicht unverbrauchte Positionen aus allen Gegenden der Welt: Was nach heilloser Überfüllung klingt, ist eine luftige, kluge Komposition aus Filmen, Slideshows, Fotoserien, Konzeptarbeiten, Rauminstallationen, Blueboxes, Objektkunst und Malerei. Allein für die (Wieder-)Entdeckung und Neubewertung der 80-jährigen Konzept- und Minimalkünstlerin Irma Blank, einer Art Schwester im Geiste Hanne Darbovens, muss man den Kuratoren dankbar sein.

Farbe als materialisierte Sensibilität, als Träger von Form, Bedeutung und Inhalt; verhandelt werden künstlerische Fragestellungen und politische Systeme: Remco Torenbosch (32) tut es mit seiner Sammlung verschieden blauer Flaggenstoffe aus EU-Staaten sowie Originaldokumenten aus Archiven des Europarates. Simon Denny (32), der den neuseeländischen Venedig-Biennale-Pavillon gestalten wird, untersucht die Wirkungsmacht des Corporate Business; Pamela Rosenkranz (35), Schweizer Biennale-Künstlerin, warnt mit fünf mit flüssigem Silikon gefüllten Evian-Flaschen vor industrieller Umweltverschmutzung und deren Folgen. Raed Yassin (35) wiederum erzählt mit seinen sieben, mit Bildern des libanesischen Bürgerkriegs handbemalten Porzellanvasen von Wertigkeit und Zerbrechlichkeit - von Kunst, von Politik (nicht nur im Nahen Osten).

Bei drei monochrom-amorphen himmelblauen Farbtafeln des Österreichers Peter Friedl (54) ist man dann im Himmel der Ausstellung. Und, somit wieder bei Yves Klein gelandet. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 1.10.2014)