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Das Billigauto aus Rumänien fährt innerhalb des Renault-Konzerns die höchsten Wachstumsraten ein. Das Konzept rund um das Auto: kein Schnickschnack, dafür ein günstiger Preis.

Foto: apa/epa/Julien Warnand

Paris - Dacia braucht kein Rampenlicht. An der Pariser Automesse bleibt sein Stand im Hintergrund, während die Heimmarken Peugeot, Citroën oder Renault mit glitzernden Neuheiten auftrumpfen. Die rumänische Marke mit der bewusst limitierten Zahl von Modellen hat heuer kaum Neues zu bieten. Die elektronischen Fensterheber, die nun wenigstens an den Vordertüren gegen einen Aufpreis zu haben sind, bilden auch nicht gerade den letzten Schrei im Fahrzeugbau.

Trotzdem fährt das biedere Billigauto der Konkurrenz mühelos den Rang ab. 2013 legte Dacia im europäischen Verkaufsmarkt um 23 Prozent zu, im ersten Halbjahr 2014 gar um 36 Prozent. Andere Marken können von solchen Zahlen nur träumen. In ganz Europa verkauft Dacia schon fast drei Prozent aller Autos. Innerhalb des ganzen Renault-Konzerns - zu dem Dacia gehört - ist das SUV-Modell Duster sogar das meistverkaufte Auto.

Dacias Siegeszug ist umso frappanter, wenn man an seine internationalen Anfänge vor einem Jahrzehnt zurückdenkt: Vor 2004 hatten die Rumänen in der EU gerade einmal 36 Fahrzeuge abgesetzt. Renault-Chef Louis Schweitzer wollte das "5000-Euro-Auto" damals gar nicht in Europa, sondern in östlichen Schwellenländern verkaufen. Dacia hatte mit den Franzosen seit Jahrzehnten kooperiert, doch seine Fahrzeuge waren unzuverlässig, seine Fabriken hoffnungslos veraltet. Ostblock eben.

Nur widerwillig ließ Schweitzer zu, dass der Dacia Logan auch in Europa angeboten wurde - was eine Konkurrenz für die billigsten Renault-Modelle darstellte. Die Renault-Verkäufer bekamen für einen Logan nicht einmal die Hälfte der üblichen Kommissionen; Rabatte genehmigten sie aus Prinzip nicht.

Es half alles nichts - Dacia wurde ein Renner. Heute ist die Hauptfabrik in Pitesti, 120 Kilometer von Bukarest entfernt, rund um die Uhr ausgelastet und bildet den Motor der rumänischen Wirtschaft. Auch in Russland, Brasilien, Kolumbien, Indien und neuerdings Marokko werden die ehemaligen "Ceausescu-Autos" gebaut. Und obschon sie weiterhin auf jeden Schnickschnack verzichten, gelten sie heute als robust, geräumig und zuverlässig.

Das Geschäftsmodell dahinter ist heute einzigartig. Nirgends werden die Entwicklungs- und Baukosten so tief gehalten wie bei Dacia. Der Sandero - heute ab 7000 Euro erhältlich - oder der Logan haben so viele Teile wie möglich gemeinsam und bedienen sich sogar bei alten Renault-Teilen. Dacia verzichtet auf teure Leichtkunststoffe, aber auch auf alles Überflüssige. Daher bleiben die Modelle leicht, aber erstaunlich crashresistent.

Keine Zierleisten

Schön ist der Dacia nicht. Doch die Renault-Planer haben über die Jahre gemerkt, dass sich die Klientel darum nicht kümmert. Je spartanischer das Design, desto willkommener. Der Dacia-Käufer will keine Zierleisten; hingegen ist er für nützliche Extras durchaus zu haben. Die Dacia-Modelle bieten heute bedeutend mehr Optionen denn je; und die Touchscreen-Navigation mit Bluetooth-Freisprechanlage kostet zum Beispiel nur 180 Euro mehr als die Grundausstattung ohne Radio.

Staunend haben die Dacia-Verkäufer gelernt, dass die Kunden, obwohl selten auf Rosen gebettet, nur zu dreißig Prozent Zuflucht zu einem Kredit nehmen. Sie wollen etwas fürs (knappe) Geld, aber sie geben auch was dafür. Da- cia ist nicht gleichbedeutend mit Geiz.

Noch etwas hat sich gezeigt: Beim Marketing können die Franzosen viel Geld sparen. Kaum je vermitteln sie in Werbespots die Botschaft, ein Dacia-Fahrer brauche kein Statussymbol: Das versteht sich von selbst. Der Dacia-Fahrer schaut aufs Portemonnaie. Am Rotlicht fragt er sich neben dem Range Rover: Braucht der Mensch wirklich getönte Scheiben und Subwoofer-Bässe?

Als Dacia 2005 in Deutschland lanciert wurde, spotteten Konkurrenten über das "Hartz-IV-Auto". Sie sind verstummt. Die Autohersteller versuchen, das Modell zu kopieren. Hyundai und mehrere chinesische Marken scheiterten damit in Europa. Volkswagen erlitt mit einer Suzuki-Kooperation in Indien Schiffbruch. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 1.10.2014)