Beim Spielen mit bunten Würfeln, die Musik speichern und wiedergeben (oben), oder am Schlagzeug (unten): In der European Researchers' Night wurden Kinder zu Wissenschaftern.

Foto: STANDARD/Fischer
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Wien - Matilda trommelt auf einem Schlagzeug, das klingt wie ein Schmiedehammer, der auf einen Amboss schlägt, oder wie das Rauschen eines Wasserrades. Über Kopfhörer lernt das junge Mädchen Geräusche kennen, die man heutzutage nicht mehr hört. "Hand:Werk" heißt eine von vier Installationen des "Klangspielplatzes" der FH St. Pölten, die auf der "European Researchers' Night" in Wien aufgebaut war.

Zum dritten Mal fand heuer die Forschungsnacht in Österreich statt. Die FH St. Pölten organisierte den lokalen Beitrag der zeitgleich in 300 europäischen Städten stattfindenden Veranstaltung.

Auf drei Stockwerken der Aula der Wissenschaften konnten in der Nacht von Freitag auf Samstag Wissbegierige aktuelle Forschung hautnah erleben. Unter dem Motto "F.I.T. for Future" konnten die Besucher experimentieren und Neues erkunden: Schon am Eingang wurde die Kleidung mit Stickstoff eingefroren. Mit intelligenten Datenwürfeln konnte Musik erst abgerufen und dann über ein Pult interaktiv dargestellt werden. Die ausgestellten Arbeiten und Experimente konnten unterschiedlicher nicht sein.

Gefühle einfangen

So tanzten und sangen fünf in Weiß gekleidete und geschminkte Frauen in der einen Ecke, während in der anderen Menschen auf eine Wand starrten, auf die Panorama-Bilder der Wiener Innenstadt projiziert waren.

Beim Tanz der Emotionen wurde die Silhouette der Schauspielerinnen auf einer Leinwand hinter ihnen projiziert. Mit Wärmebildkameras wurden ihre Emotionen eingefangen und sichtbar gemacht. Das als Diplomarbeit gestartete Projekt zeigt, dass Gefühle eine körperliche Reaktion auslösen, wie etwa Hitzewallungen bei Wut. Die Wärmebilddiagnosen sollen dabei helfen, Emotionen für die Bühne einfacher zu trainieren.

Auf der gegenüberliegenden Seite stellten die TU Graz und die FH St. Pölten ihren neuen Vermessungsscanner aus. 3-D-Pitoti erstellt hochauflösende dreidimensionale Rekonstruktionen von tausendjähriger Felskunst, die in die Steine des Valcamonica-Tales in Italien gemeißelt worden ist. Die Jagd- und Tanzszenen zählen zum Unesco-Weltkulturerbe und wurden nie zuvor in 3-D abgebildet. "Einen Scanner zu entwickeln, der leicht genug ist, um ihn auf den Berg zu tragen, und gleichzeitig hell genug ist, war eine Herausforderung", sagt Projektmitarbeiter Axel Prinz der TU Graz.

Bisher mussten die Felswände mit einem Zelt abgedeckt werden, um völlige Dunkelheit als besseren Kontrast für die Fotos zu erreichen. Das kann umgangen werden, indem die Forscher den Scanner mit einem Blitz ausstatteten, der mit 160.000 Lux "fast doppelt so stark ist wie das maximale Sonnenlicht", erzählt Prinz.

Die Jüngsten wurden in dieser Nacht nicht nur zu kleinen Wissenschaftern, indem sie etwa im "Vienna Open Lab" ihren eigenen Schnecken-"Slime" in bunten Farben brauten - sie wurden selbst zu Forschungsobjekten: Mit "Eyetracking-Glasses" sollen Kinder durch die Stadt gehen, um der Wissenschaft ihren Blickwinkel weiterzugeben. So kann erforscht werden, wohin die Augen der Kinder wandern und in der Folge die Straßensicherheit besser an ihre Bedürfnisse angepasst werden.

Auch das Älterwerden war Thema: So soll eine neue Art der "Atemdiagnostik" eine frühzeitige Erkennung von Lungenkrebs bringen. Christian Krutzler arbeitet für das Austrian Center for Medical Innovation and Technology an einer "Spürnase", die Krebsgeschwüre riechen soll - wie auch Hunde es können sollen. "Das Problem an Lungenkrebs ist, dass er so spät erkannt wird", sagt Krutzler. Röntgengeräte würden Tumore nicht früh genug zeigen. Durch eine Frühdiagnose über die Atmung könnten die Heilungschancen stark steigen.

Neben Marktplatz und Projektausstellungen standen heuer auch Showakts am Programm: In der Theateraufführung Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar wurden die drei Wissenschafterinnen porträtiert und ihre Forschungsgebiete thematisiert. Beim anschließenden "Sience-Slam" ging es darum, komplexe Wissenschaftsthemen in einer amüsanten und leicht verständlichen Art darzustellen.

Am Weg zur Green-City

Am Samstag machte dann das Wiener Forschungsfest on tour, das sich regelmäßig in Randbezirke bewegt, im Donauzentrum Station. Wie man mit einer leeren Plastikflasche, Kies, Erde und einem Stück Baumwollstoff einen kleinen Garten baut, zeigte etwa das Green City Lab: Die halbierte Flasche wird zum Topf, in den Löcher mit einem Nagel gedrückt werden, damit überschüssiges Wasser ablaufen kann. Kies wird durch das Stoffstück von der Erde getrennt, Samen hinzu und fertig ist der Hängegarten für daheim. Die Kinder, die sich die Zeit vertrieben, während ihre Eltern shoppten, waren schnell begeistert. "Bei der Stadtplanung wird oft auf die Grünräume vergessen", sagt Sabine Luger vom Green City Lab. Die selbst gemachten Gärten seien eine Möglichkeit, "wie jeder einen Beitrag dazu leisten kann, die Stadt grüner zu machen" - nur durch "Abfallverwertung".

Für die Erwachsenen bot das Forschungsfest Ausstellungen der neuesten Entwicklungen. Beispielsweise Smartphone-Software, die in Zukunft das lästige Kramen nach dem Schlüssel ersparen soll, weil mit dem Telefon die Türen aufgesperrt werden. Oder Rohrpostsysteme, die schon jetzt in vielen großen Krankenhäusern den Transport von Blutkonserven und Co hygienischer und strukturierter abwickeln. (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 1.10.2014)