Der Außenpolitische Ausschuss gilt neben jenem für Wirtschaft und Währung als Königsetappe im EU-Parlament. Hohe Kompetenz der Abgeordneten, politische Erfahrung, ruhiger Ton, keine Polemik, komplexe globale Probleme - das zeichnet die Beratungen des Gremiums aus.
Umso gespannter konnte man am Dienstag sein, wie sich EU-Regionalkommissar Johannes Hahn am zweiten Tag der parlamentarischen Anhörungen der Kandidaten für die neue EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker bewähren würde. Der Österreicher soll künftig für die Bereiche Nachbarschaftspolitik und EU-Erweiterung zuständig sein. Er würde direkt der neuen Hohen Beauftragten für die gemeinsame Außenpolitik, Federica Mogherini aus Italien, zugeordnet sein und auch als ihr Stellvertreter wirken müssen.
Direkt zuständig wäre er für die Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkanländern und der Türkei, aber auch für die Krisen in der Ukraine, in den nordafrikanischen Ländern am Mittelmeer, für Syrien, die Schwarzmeerregion - letztlich auch Russland. Es werde keine Vernachlässigung der Erweiterung geben, stellte Hahn fest, auch wenn Juncker EU-Beitritte in den nächsten fünf Jahren ausgeschlossen habe und er vom Titel her "nur" Nachbarschaftskommissar sein werde. Er wolle "beides" gleichwertig angehen.
Hahn: Souveränität der Ukraine stärken
"Ich gehe enthusiastisch, aber pragmatisch ans Werk", beschreibt er sich und fügt höflich hinzu, "wenn Sie mich im Amt bestätigen". Daran besteht bereits nach einer Stunde kein Zweifel mehr. Der Österreicher legt einen souveränen Auftritt hin, verweist immer wieder "auf meine Erfahrungen als Regionalkommissar" - was die Abgeordneten bestätigen.
Als "erste Priorität" seiner künftigen Arbeit führt Hahn die Krise in der Ukraine an. Es müsse gelingen, Lösungen zu finden, und "es geht dabei nicht nur um Geld". Die Souveränität des Landes müsse gestärkt, für den Wiederaufbau in der Ostukraine - vielleicht durch einen "Sonderstatus" - gesorgt werden. Dezentralisierung, Reformen, der Dialog der Zivilgesellschaft seien entscheidend. Russland solle die EU nicht unterschätzen, mahnt er, will sich für den Dialog mit Moskau starkmachen.
Stärkere Kooperation zwischen Balkanstaaten
Als generelle Linie der Nachbarschaftspolitik müsse gelten, dass die Partnerländer auf Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Reformen und gut funktionierende Demokratie hinarbeiten. Das gelte in der Türkei ebenso wie auf dem Balkan. Die EU müsse "flexibel sein". Hahn will die "Beitrittsfähigkeit" vorantreiben, die Kooperation zwischen den Balkanstaaten, den Ausbau der Infrastrukturen grenzüberschreitend vorantreiben.
Gute Vorsätze hat er bei der Flüchtlingshilfe in Syrien. In Tunesien, Marokko, Libyen müsse die EU beim Aufbau der Demokratie aktiv werden. Die Abgeordneten applaudieren. Neben Hahn stellte sich unter anderem der Grieche Dimitris Avramopoulos als Migrationskommissar der Anhörung. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 1.10.2014)