Georg Wachter berechnet Prozesse, in denen sich Glas fundamental verändert.

Foto: TU Wien

Georg Wachter experimentiert in seiner Forschung mit Phänomenen, die im herkömmlichen Verständnis unmöglich sind: Isolierende Materialien wie etwa Kunststoff oder Glas zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie keinen Strom leiten, doch Wachter arbeitet mit einem Prozess, durch den genau das möglich wird.

Das Hilfsmittel, dessen sich Wachter dabei bedient, ist ein Laser - eine Lichtquelle mit extrem hoher Intensität, die scharf gebündelte Lichtstrahlen aussendet. Bestrahlt man den Isolator Glas mit einem Laser, ist es möglich, dass sich die Elektronen frei im Material bewegen - somit wird das Glas kurzzeitig zum Leiter. Der Effekt läuft innerhalb von Femtosekunden ab, das sind Billiardstelteile von Sekunden.

Der Effekt war schon bisher bekannt. Im Rahmen seiner Dissertation in Materialphysik an der Technischen Universität Wien konnte Wachter mit weiteren Forschern der TU Wien und Physikern der Tsukuba University in Japan nun erstmals berechnen, wie der merkwürdige Prozess abläuft. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachblatt Physical Review Letters publiziert. Für die Erklärung ist es notwendig, sich in die Theorie der Quantenmechanik zu begeben. Quantenphysikalisch betrachtet, kann ein Elektron in einem Festkörper verschiedene Zustände annehmen: solche, in denen es an ein bestimmtes Atom gebunden ist, und andere, in denen seine Energie so hoch ist, dass es sich frei bewegen kann.

Wie die Berechnungen, die nur mit Supercomputern lösbar sind, zeigen, kann durch den Laserstrahl kurzzeitig "Energie auf die Elektronen im Glas übertragen werden", sagt Wachter. Der Strahl gibt ihnen gewissermaßen einen Kick - und das Glas verändert seine Eigenschaften: "Es wird undurchsichtig und leitend."

In der Zukunft könnten diese Erkenntnisse möglicherweise dazu dienen, elektronische Schaltungen zu konstruieren, die tausendfach schneller sind als die heute in der Elektronik üblichen Transistorschaltungen.

Die jüngsten Berechnungen sind Teil seiner Dissertation zu ultraschnellen Prozessen in Festkörpern. Vier Jahre hat er bisher daran geforscht und wird die Doktorarbeit demnächst abschließen. Es handelt sich um ein relativ junges Forschungsgebiet, das erst durch die Entwicklung der Laserphysik in den vergangenen zehn bis 15 Jahren möglich wurde.

Der gebürtige Tiroler hat, wie er erzählt, im Institut für Theoretische Physik an der Technischen Universität Wien "eine neue Heimat" gefunden. Was ihn zunächst in die Wissenschaft gebracht hat, war der Wunsch, Fragen zu stellen: "Ich wollte verstehen, wie die Welt funktioniert, was sie zusammenhält." Was ihn heute zusätzlich an der Forschung begeistert, ist die internationale Ausrichtung und der Austausch. Auch wenn er nicht an der Uni bleiben sollte, will er in einem Bereich "mit internationaler Ausrichtung" arbeiten.

Abseits der Wissenschaft begeistert sich der 30-Jährige für Musik, Sport und Reisen. In seiner Freizeit greift er zur Jazzgitarre oder geht Mountainbiken. Vor seinem Doktorat fand der Physiker zum letzten Mal Zeit für einen längeren Urlaub: Drei Monate verbrachte er in Südamerika und Mexiko - "auf Rucksackreise". (Tanja Traxler, DER STANDARD, 1.10.2014)