Spaß haben statt leiden: Sozialkampagnen provozieren oft.

Foto: Haus der Barmherzigkeit

Wien - Eine frech lachende alte Dame, die sich zwei Äpfel als Brüste vor den Körper hält; eine Lady im fortgeschrittenen Alter mit Fächer und extravaganten Katzenaugenbrillen; ein älterer Herr mit einer Kaugummiblase vor dem Mund. Die Kampagne des Pflegeheimbetreibers Haus der Barmherzigkeit aus dem Jahr 2011 war eine der farbenfrohsten zu einem Thema, das meist mit Tod und Leiden assoziiert wird. Ebenso auffällig gestalteten sich lange Zeit auch die Sujets von Caritas Socialis (CS) Hospiz, etwa in Form von großflächigen Gesichtern alter Menschen, auf denen jede Spur der Zeit deutlich zu sehen war.

"Diese Nahaufnahmen haben mich fasziniert", sagt Monika Schwärzler-Brodesser, "weil man nicht weiß, wie man damit umgehen und was man davon halten soll." Die Expertin für visuelle Kultur am Department für Medienkommunikation der privaten Webster-Universität in Wien hat in einem aktuellen Forschungsprojekt untersucht, wie die öffentlichkeitswirksamen Werbekampagnen von Haus der Barmherzigkeit und CS Hospiz Bilder von Alter und Sterben gestalten.

Dafür durchforstete sie die Archive der beiden Organisationen und analysierte die Sujets der letzten zehn bis zwölf Jahre. "Beide Einrichtungen wurden immer wieder von Walther Salvenmoser beraten, dessen Handschrift die Kampagnen prägte", erzählt Schwärzler-Brodesser. Ihm sei auch zu verdanken, dass man sich häufig an dem schmalen Grat zwischen provokanten Aussagen und einem pietätvollen Umgang mit dem Tod und den Patienten - die oft als Models dienten - bewegte. "Die Fotos waren oft sehr gewagt."

Allgegenwärtige ewige Jugend

Die Medienwissenschafterin identifizierte drei Bildstrategien: Die erste - ungeschönte Groß- und Nahaufnahmen aller körperlichen Erscheinungsformen von Altern und Sterben - stünde in krassem Kontrast zur allgegenwärtigen ewigen Jugend kommerzieller Werbekampagnen und würde auf eine lange Tradition humanistisch geprägter Porträtaufnahmen zurückgehen, etwa von Richard Avedon, Nicholas Nixon und Richard Billingham. "Als christlich geprägte Institutionen bleiben CS Hospiz und Haus der Barmherzigkeit hinter solch radikalen Altersdarstellungen zurück und versuchen den Kompromiss", sagt Schwärzler-Brodesser.

Als zweites Stilmittel tat sich die Strategie hervor, Alterungsprozesse umzudefinieren und den Fokus auf Lebensfreude zu legen. Das zeigte die Spaßkampagne des Haus der Barmherzigkeit, aber auch die Stillleben-Serie von CS Hospiz, die mit einer kleinen Campariflasche auf dem Nachttisch oder einer Massagebürste sinnliche Genüsse betont.

Eine dritte Bildrhetorik besteht darin, gesellschaftliche Solidarität mit Alten über ihre Jugendbilder einzumahnen, stellte Schwärzler-Brodesser fest. So beschränkte sich eine Kampagne darauf, Jugendfotos ihrer Patientinnen und Patienten abzubilden und diese nur mit etwa dem Schriftzug "Heute bin ich 79" zu ergänzen.

Nicht alle Ideen wurden verwirklicht, wie die Forscherin herausfand: "Zum Beispiel ein Sujet mit einem Skelett im Trenchcoat, das sich wie ein Exhibitionist präsentierte. Das ging dann doch zu weit." Social Advertising, wie die Sozialkampagnen in der Fachsprache auch bezeichnet werden, lebt von einer radikalen Sprache: "Die stärksten Mittel sind die besten, um Bewusstsein für veränderungsbedürftige soziale Verhältnisse und Muster zu schaffen", sagt Schwärzler-Brodesser. Immer wieder hätte sich die kommerzielle Werbung dieser Stilmittel bedient - und auch ausgehebelt. "Kommerzielle Werbung geht immer noch weiter." (kri, DER STANDARD, 1.10.2014)