Kaum sind die Städter auf's Land gezogen, mosern sie über die Bobostädter, die ihre Wirtshäuser bevölkern. Die Vegetarierin zog's ja nach Weikersdorf am Steinfelde. Kulinarisch betrachtet ein kluger Schachzug, wo doch wenig später der quasi legendär wunderbare Wirt Gerald Jeitler dort den auch nicht unwunderbaren Steinfeldhof besiedelte und bekocht. Die Vegetarierin nölt halt jetzt ein bisschen über die Bobos aus der Stadt und dass das Angebot für Vegetarierinnen überschaubar ist, wenn sie nicht so auf Krautstrudel und geröstete Knödel stehen. Hey! Es gibt doch auch Bulgursalat mit Hummus, sagt die Karte!
Gut, dass ich keine Vegetarierin bin. Aber irgendwie schade, dass Weikersdorf so weit weg ist. Nach langenlangenlangen Monaten haben wir's endlich geschafft ins flache Land bei Wiener Neustadt - für Tobias Müllers formidablen Wochenendheurigen "Schwein und Wein" reichte es ja leiderleiderleider heuer nicht.
Also Weikersdorf, gerade noch bei gartentauglicher Sonne. Was soll ich sagen: Ich kann den Ausflug auch Städtern nur empfehlen, bobo oder nicht. Aber sehen Sie selbst.
Die Herrschaften rechts begehen - wenn Sie mich fragen - einen Fehler, wo sie doch schon in Weikersdorf am Steinfelde sind: Sie kehren nicht ein beim Jeitler.
So versäumen sie zum Beispiel...
.... diesen doch recht schmucken Gastgarten, bei milder Herbstsonne ein Fehler. Wenn Sie schon in Weikersdorf sind - und mich fragen.
Sie versäumen auch eine ziemlich prächtige Frittatensuppe...
...oder einen nicht zu intensiven, hausgemachten Hirschleberkäse, der sogar der gar nicht wilden Wunderbaren schmeckte, wie sie zugeben musste. Mit erfreulich würzigem Erdäpfel-Senfpüree, auch für jene Bobos, denen allzu sanfte Breichen zu fad geworden sind. Und Bananenchutney für die etwas Süßeren aus Stadt und Land. Aber keineswegs zu süß.
Sie versäumen aber auch dieses ausgesprochen sympathische, weil so gar nicht kalbsfade Kalb. Gerollt und gebraten saftig und mit ernst zu nehmendem Geschmack.
Ich bin zum Kalbe ja eigentlich wegen der Herbsttrompeten abgebogen - aber wenn die geliebten Pilze auch noch so angenehm begleitet werden, soll's mich nun wirklich nicht stören.
Vor allem aber kann man Samstags was versäumen - sagt die Wunderbare, und wie könnte ich ihr widersprechen? Backhendltag! Und was für eines!
Die Wunderbare findet sich auf dem "Höhepunkt der Knusprigkeit" wieder, mit diesen Worten strahlt sie über eine recht knackige Panier. Und knurpst fröhlich am einen oder anderen Knorpel, den sie erfreut unter der brösligen Knusprigkeit entdeckt.
Nicht der einzige Thementag übrigens: Freitags gibt's heiß geräucherte Forelle mit Oberskren, sonntags Braten im Ganzen (wär ja eher mein Fall). Und montags gibt's eine neue, wohl abgespeckte Version des legendären Oberschlattener Restlessens "A bit of Jeitler" - fünf Gänge für praktisch kein Geld.
Wir aber sind samstags hier - und gehen nicht ohne Nachspeis wieder aus diesem schmucken Garten - wenn's heißer ist, kann man sich und seine Lieben zum Beispiel hier unter der Weinpresse einparken mit dem schönen Sinnspruch: "
Nicht nur in Oggau
und in der Wachau,
auch im Feld der Steine
gibt es gute Weine.
Im Zweifel würd ich dann aber doch zum Beispiel zu Wenzels "Kleiner Wald" greifen, den ich erfreut im kleinen Flaschenangebot gefunden hab - aus Rust. Aber halt nicht zum Samstagmittagessen, wenn ich noch zurück in die Bobostadt muss.
Ausgehen muss sich noch: "Oma's Apfelstrudel mit Vanillesauce", zitiert die Wunderbare wörtlich aus der Karte. Und strahlt schon wieder über den hoch dosierten Anteil gerissener Äpfel - eine alte Sorte, murmelt sie noch andächtig zwischen dem vorletzten und dem letzten Bissen - verrät mir aber leider nicht, welche.
Ich hätte die Sorte ja selbst dann nicht identifizieren können, wenn ich noch einen Bissen bekommen und ihn unter meiner Schafsnase geparkt hätte. Nein, diese Sorte war's bestimmt nicht. Oder? (Harald Fidler, derStandard.at, 30.0.2014)