Jonas (Brenton Thwaites) und Baby Gabriel in "The Giver".

Foto: Weinstein Company

Wien - Mitten in den Graustufen seiner Schwarzweißwelt sieht der Teenager Jonas manchmal etwas Eigenartiges aufblitzen: grüne Blätter im Sonnenlicht oder das rotbraune Haar seiner besten Freundin Fiona, in die er sich zu verlieben beginnt - ohne auch nur für eine dieser verwirrenden Erfahrungen Worte zu haben.

Jonas (Brenton Thwaites) lebt 2048 in einer Enklave, die sich selbst genügt, vom Rest des Universums abgekoppelt. Auch die Geschichte, die dahintersteckt, darf nicht erzählt werden. Mit Eltern und kleiner Schwester wohnt Jonas in einem modernistischen Einfamilienhaus, das denen der Nachbarn gleicht wie ein Ei dem anderen. Konformität und Gleichheit ist auch den Bewohnern verordnet. Die "Ältesten", denen Meryl Streep als Chefin vorsitzt, wachen darüber.

Hüter der Bibliothek

Das Leben ist in Abschnitte eingeteilt, der Übertritt von einem zum nächsten wird zeremoniell besiegelt. Jonas soll mit seinem Jahrgang eine Berufsausbildung beginnen. Stattdessen wird er auserwählt, den "Hüter der Erinnerung" aufzusuchen, um sich auf dessen Nachfolge vorzubereiten. Dieser Mann - Jeff Bridges spielt ihn knorrig, mit vorgeschobenem Unterkiefer - wohnt am Rande von Jonas' Welt in einem altertümlichen Gebäude, dessen Inneres sich als Bibliothek entpuppt. Und natürlich geraten Jonas im Austausch mit dem umfassend gebildeten Altvorderen schnell all die künstlichen Einschränkungen in den Blick.

Jonas beginnt zu experimentieren, die Grenzen zu testen, die Machthaber herauszufordern. Aber der Ort, an dem er sich befindet, heißt nicht Pleasantville: In Gary Ross' gleichnamiger Tragikomödie von 1998, die ebenfalls mit Schwarzweiß und Farbe spielt, erweist sich die Subversion Einzelner als befreiend für viele. In Hüter der Erinnerung ist diese Erfahrung dem Helden vorbehalten (diese Entwicklungslinie lässt u. a. an Anthem von Ayn Rand denken, einer Autorin, die bei Rechtskonservativen hoch im Kurs steht).

Hüter der Erinnerung - The Giver basiert auf einem Jugendbuch der 1937 geborenen US-Autorin Lois Lowry, das erstmals 1993 veröffentlicht wurde, sich hervorragend verkaufte, aber nicht nur wohlwollende Kritiken erhielt. Die Leinwandadaption hat der Australier Philip Noyce besorgt - und es bei eher schlichten Inszenierungsideen belassen: Jonas' Visionen und Lernerfahrungen sehen aus wie Werbespots für den Discovery-Channel. Selbst geeichte Darsteller wie Streep oder Bridges wirken hier letztlich recht verloren. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 30.9.2014)