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Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit dem bosnischen Außenminister Zlatko Lagumdžija. Er steht in der Kritik der ansässigen US-Vertretung.

Foto: APA/EPA/Demir

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Eine Frau sitzt nach den verheerenden Überschwemmungen im Mai bei ihrem übriggebliebenen Hab und Gut. Spendengelder seien aufgrund von herrschenden Politikern nicht bei den bedürftigen Gemeinden gelandet, so der Vorwurf der US-Botschaft.

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Die Hintergrundmusik ist dramatisch. In dem Video sind in Schwarz-Weiß die zerstörten Häuser, die überfluteten Dörfer, die kaputten Autos und die verzweifelten Menschen zu sehen. "45.000 Häuser zerstört, 120 Schulen und Kindergärten beschädigt, 90.000 Leute obdachlos, aber die staatlichen Behörden haben so gut wie nichts getan", erklärt eine sonore Männerstimme. "Wähle oder leide weiter!" Die amerikanische Hilfsorganisation USAID mischt sich mit düsteren Filmen in den bosnischen Wahlkampf ein.

Am 12. Oktober werden in den zwei Landesteilen, den zehn Kantonen und auf Bundesebene die Parlamente sowie das dreiköpfige Staatspräsidium gewählt. In einem zweiten dramatischen Videoappell von USAID anlässlich dieser Wahlen heißt es: "Mehr als 500.000 Menschen sind ohne Arbeit, 600.000 sind an der Grenze zur Armut, es ist das schlechteste Land in Europa für Investitionen. Und die staatlichen Institutionen haben so gut wie nichts getan. Wähle oder leide weiter!"

Ethnischer Hintergrund als Priorität

Der Angriff gilt den herrschenden Politikern. Aber nicht nur USAID, sondern auch der Geschäftsträger der US-Botschaft in Bosnien-Herzegowina (BuH), Nicholas Hill, wandte sich in diesen Tagen an die bosnischen Bürger. Es sei an der Zeit, dass diese jene Führer unterstützen würden, die auch ihre Prioritäten und nicht nur ihren (ethnischen) Hintergrund teilten.

"Frag deine Kandidaten, wie sie es erleichtern werden, ein Business zu starten, die Arbeitsgesetze zu modernisieren, das Gerichtssystem zu verbessern und die Korruption zu bekämpfen", rät Hill. "Und wenn du die Antwort des Politikers nicht magst, hab keine Angst, neuen Gesichtern und neuen Ideen eine Chance zu geben", so die Wahlempfehlung. Man solle keine Kandidaten unterstützen, denen es nur um Selbsterhaltung und Bereicherung gehe.

Sozialdemokraten und SNSD

Die Kritik richtet sich vor allem gegen zwei politische Parteien und deren Führer, die Sozialdemokraten unter Außenminister Zlatko Lagumdžija, die im Landesteil der Föderation stärkste Kraft ist, und gegen die SNSD unter Milorad Dodik, stärkste Kraft im Landesteil Republika Srpska. Die USA haben für beide die Unterstützung schon seit geraumer Zeit fallen lassen. Bei den "neuen" Gesichtern, die von den USA nun unterstützt werden, dürfte es sich um Željko Komšić, der mit seiner Demokratska Fronta antritt, um die Naša stranka und um die SBB von Fahrudin Radončić handeln, obwohl Komšić und Radončić schon lange in der Politik sind. Hill betonte aber, dass die USA keine spezifische Partei unterstützen würde.

Angriff im Blog

Die Kampagne der Amerikaner begann mit einem Text vom Chef von USAID in Bosnien-Herzegowina (BuH), David Barth, und dem Militärberater Scott Miller, die die bosnischen Politiker direkt in einem Blog angriffen, der mit dem Wort "Empörung" betitelt war. Sie schreiben, dass sie beide das Versagen der Regierungen in der Flutkatastrophe "auf allen Ebenen" bezeugen könnten. Die Politiker von BuH hätten sich angesichts der Fluten als "unfähig oder unwillig" gezeigt, die internationale Gemeinschaft auch nur auf halbem Weg zu treffen und sie hätten sich lieber auf ihren üblichen Ansatz der Vetternwirtschaft, Parteivorteilnahme, auf Hinterzimmer-Deals und dem Abwälzen von Schuld konzentriert.

Dann kritisieren die beiden amerikanischen Diplomaten, dass von dem Geld, das auf der Geberkonferenz angesichts der Flutkatastrophe für die bosnische Regierung angeboten worden sei, "wenig bis nichts bei den Bürgern oder den bedürftigen Gemeinden" angekommen sei.

Auch vier Monate nach den Fluten hätten die Politiker keine "echten Pläne oder ernsthaften Ideen", etwas für den Wiederaufbau, anzubieten. Die Opfer der Fluten hätten nur "leere Versprechungen und Entschuldigungen" von ihren Führern gesehen. Diese Führer wiederum würden nur schnell internationale Hilfe anfordern, um "ihre Koffer zu füllen", um die bestehenden Budgetlöcher zu füllen, die eine Konsequenz ihrer Politik seien, so Barth und Miller.

"Persönliche Imperien"

Nur durch die Hilfe der EU, der Uno, der USA und Schweden und Norwegen sei die Infrastruktur wieder aufgebaut worden. Gelobt werden von den USA aber die bosnische Armee und die Zivilisten, die sich gegenseitig in der Flutkatastrophe halfen. "Leider wurden diese Bemühungen von Politikern abgetan, die ihre persönlichen Imperien auf dem beständigen Narrativ von ethnischer Disharmonie und Dysfunktion, vergangenen Missständen und Viktimisierung aufgebaut haben", so die US-Botschaft. Die Bürger aber wüssten, dass die Politiker Angst und Unsicherheit nutzen würden, um Transparenz und Verantwortlichkeit zu vermeiden.

Lagumdžija protestierte gegen die Anschuldigungen und forderte ein Gespräch mit Hill. Er betonte, dass nicht alle Politiker so seien, wie dies die US-Botschaft beschreibe, und dass es sich um ungenaue Behauptungen handle, weil das Geld von der Geberkonferenz noch gar nicht an bosnische Institutionen verteilt worden wäre und es demnach gar keinen Missbrauch der Hilfe geben könne.

Lagumdžija sagte auch, dass er gegen die Pauschalverurteilungen der US-Botschaft sei und stattdessen fordere, dass auch amerikanische Vertreter jene Institutionen und Politiker mit vollem Namen nennen sollten, die angeblich nicht transparent gearbeitet hätten. Lagumdžija meinte zudem bei einer Parteiveranstaltung, dass man jenen Diplomaten, die Lügen verbreiten würden, dies ins Gesicht sagen würde. "Man kann dieses Land nicht so behandeln, als wäre es ein Protektorat", so der Außenminister.

"Gegenteiliger Effekt"

"Die Amerikaner verstehen eines gar nicht, nämlich dass es total kontraproduktiv sein kann, wenn man bosnische Politiker öffentlich kritisiert. Das kann den gegenteiligen Effekt haben", kritisiert der Ökonom und Politikwissenschafter Žarko Papić die Einmischung im Wahlkampf. Der frühere US-Botschafter in Jugoslawien, Lawrence Eagleburger, habe später zugegeben, dass es falsch gewesen sei, Slobodan Milošević 1992 als einen Kriegsverbrecher zu bezeichnen, weil ihm dies ein paar Prozentpunkte bei den Wahlen brachte, nennt Papić ein Beispiel für das Vorgehen der USA. Die indirekte Kritik an Lagumdžija und Dodik könne auch jetzt nach hinten losgehen. Papić weist auch darauf hin, dass beide Politiker zu Beginn ihrer Karriere von den USA unterstützt wurden. "Die Amerikaner sind von ihrem eigenen Kind enttäuscht."

Ein Todesfall hat den Wahlkampf kurzfristig unterbrochen. Vergangene Woche starb ein bosnischer Politiker, der bei allen eine gute Reputation hatte. Sulejman Tihić, der langjährige Parteiführer der größten bosniakischen Partei, der SDA, litt schon seit Jahren an einer Krebserkrankung. Tihić war für seine besonnene Art bekannt. Sogar Milorad Dodik, Chef der größten serbischen Partei, der SNSD, sagte nun über ihn: "Er war ein guter Mann und er hatte einen starken Charakter." Tihić war im Krieg in einem serbischen Konzentrationslager in Bosnien eingesperrt gewesen. Er wurde in Bosanski Šamac beerdigt. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 29.9.2014)