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Lange sah es aus, als stünde eine Liberalisierung bevor – nun wurden sämtliche Überlegungen über den Haufen geworfen: Er lehne eine Ausweitung der Arbeitserlaubnis für Asylwerber ab, bekräftigte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" Aussagen von vor einem Monat. In der Zwischenzeit hatte ihm auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zugestimmt.

Damit scheint auf Regierungsseite bis auf weiteres ein Thema abgehakt zu sein, das Flüchtlingshelfern, die die Situation von Asylwerbern aus eigener Anschauung gut kennen, seit Jahren ein zentrales Anliegen ist.

Ein Thema, das für die Flüchtlingsproteste, die im Herbst vor zwei Jahren mit einem Zeltlager in Wiener Votivpark begannen, einer der wichtigsten Auslöser war – und zu dem es im vergangenen Jahr im Sozialministerium eine Arbeitsgruppe gegeben hatte: die Befreiung der Asylwerber aus lähmender und für sie im Endeffekt rufschädigender Untätigkeit durch Gewähren von Arbeitsrecht.

Einschränkender Erlass

Anders als es Hundstorfer und Mikl-Leitner nun behaupten, existiert dieses Arbeitsrecht de facto keineswegs. Obwohl, wie der Sozialminister betont, Asylwerber in Österreich schon drei Monate nach Antragstellung gesetzlich Arbeitsmarktzugang haben, können sie diesen nicht nutzen: Ein Erlass des früheren Arbeitsministers Martin Bartenstein (ÖVP) beschränkt ihre Möglichkeiten, unselbstständig tätig zu werden, seit 2004 auf Saisonarbeit, also diesbezügliche Tätigkeiten in Tourismus und Landwirtschaft.

Selbstständiges Arbeiten wiederum, etwa die Ausübung eines Gewerbes, kann Asylwerbern nicht verboten werden. Hier scheitert es an den in Österreich in den meisten Berufen verlangten einheimischen Gewerbeberechtigungen, die Menschen von anderswo nachvollziehbarerweise nicht vorweisen können. Resultat: Im wirklichen Leben beschränken sich die freien Tätigkeiten von Schutzsuchenden mit wenigen Ausnahmen auf Zeitungsaustragen und – bei Frauen – das freie Gewerbe der Prostitution.

Existenzbedrohend

Die oben angesprochene unselbstständige Saisonarbeít wiederum ist für die Betroffenen auch deshalb keine Option, weil sie nur vorübergehend ausgeübt wird. In dieser Zeit aber erlischt der Anspruch auf Asylwerber-Unterkunft, Verpflegung und Versicherung: Nach der Saison muss ein neuer Grundversorgungsantrag gestellt werden.

Bürokratiebedingt kommt es dabei zu Wartezeiten, die für Asylwerber existenzbedrohend sein können – weshalb im vergangenen Jahr eine im Sozialministerium angesiedelte Arbeitsgruppe antrat, um die Übergänge flexibler zu gestalten. Mit dem nunmehr dekretierten Ende der Arbeitsmarktzugang-Diskussion sind offenbar auch die diesbezüglichen schon recht weit gediehenen Pläne den Bach hinuntergegangen.

Unpräziser Hundstorfer

Doch laut Hundstorfer ist das inzwischen überhaupt kein Problem mehr: Es sei gelungen, die Asylverfahren auf durchschnittlich drei Monate Dauer zu beschleunigen, betonte er in der "Pressestunde" – damit ansprechend, dass Flüchtlingen bei positivem Ausgang ihres Schutzantrags volle Gleichstellung bei der Arbeitssuche winkt.

Hier hat sich der Minister unpräzise ausgedrückt: Drei Monate, das ist laut Innenministerium jene durchschnittliche Zeitspanne, in der im Jahr 2013 Asylverfahren in erster Instanz abgeschlossen wurden – mehrheitlich mit negativem Ausgang, sodass der betreffende Asylwerber meist in Berufung geht. Auf freien Arbeitsmarktzugang muss er oder sie dann weiter warten, und zwar bis zum endgültigen Ausgang des Falls.

Am Tropf der Grundversorgung

Das wiederum kann Jahre über Jahre dauern, in denen er oder sie am Tropf der Grundversorgung hängt und – wie aus der Arbeitslosenforschung gut bekannt ist – das Arbeiten völlig verlernt. Mit desintegrierenden Folgen, die bei Menschen, die sich in Österreich erst zurechtfinden müssen, besonders schwer zum Tragen kommen.

Dieser Zustand wird nunmehr einzementiert. Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen scheut man auf Regierungsseite wohl eine Diskussion über Asylwerber als Jobkonkurrenten Einheimischer. Auch abgesehen davon, dass ein paar tausend Arbeitsmarkteilnehmer mehr hier nicht ins Gewicht fallen würden: Das ist eine kurzsichtige und falsche Entscheidung. (Irene Brickner, derStandard.at, 29.9.2014)