Wien - Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) geht davon aus, dass es für die Steuerreform mehr als die bei der Regierungsklausur vereinbarten fünf Milliarden Euro geben wird. Dieses genannte Volumen sei nur die "Unterkante", sagte Hundstorfer am Sonntag in der ORF-"Pressestunde".

Einen konkreten Betrag wollte Hundstorfer nicht nennen, er gestand aber zu, dass es ihm lieber gewesen wäre, man hätte gleich die von ÖGB und AK geforderten sechs Milliarden als "Unterkante" genommen. Der Sozialminister bewertete es aber als positiv, dass sich die Regierung überhaupt auf einen Betrag verständigt hat, weil dies vor acht Wochen noch unmöglich gewesen wäre.

Inhaltliche Divergenzen mit ÖVP

Hundstorfer gestand ein, dass es inhaltlich noch Divergenzen mit der ÖVP gebe. So bekräftigte er die Forderung nach einer stärkeren Einbeziehung vermögensbezogener Elemente sowie nach einer Millionärssteuer. Außerdem sei die von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) abgelehnte Erhöhung der Negativsteuer für Geringverdiener für die SPÖ weiterhin ein Thema. Konkret zu Schelling meinte der Sozialminister, man solle jetzt nicht jede Aussage in die Waagschale legen. Man werde jetzt mit dem Verhandeln beginnen - zunächst auf Expertenebene und dann in politischer Runde - und er sei überzeugt, dass am 17. März wie geplant ein Beschluss im Ministerrat zustande kommen werde.

Als eine "nicht unwesentliche Weiterentwicklung" bewertet der Sozialminister auch das Sechs-Punkte-Programm zur Bildung, das u.a. einen Ausbau der Gesamtschule, einen besseren Übergang vom Kindergarten in die Volksschule und eine Leseförderung vorsieht.

Keine Ausweitung der Arbeitserlaubnis für Asylwerber

Nicht einverstanden ist Hundstorfer damit, dass einige Bundesländer Antragsstellern für die Mindestsicherung empfehlen, ihre Eltern bzw. Kinder auf Unterhalt zu klagen. In Verhandlungen mit den Ländern will er versuchen, das abzustellen. Er will in einen intensiven Dialog mit den Ländern über die Vollzugspraxis bei der Mindestsicherung eintreten.

Eine Ausweitung der Arbeitserlaubnis für Asylwerber lehnt Hundstorfer weiterhin ab. Anbieten will er diesen Menschen verstärkt die Mitarbeit in kommunalen und gemeinnützigen Projekten, was auch mit dem Versuch, die Asylwerber mehr in kleineren Quartieren unterzubringen, leichter wäre. Hundstorfer verwies darauf, dass Asylwerber nach drei Monaten einen eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Nachdem es nun schon gelungen sei, die Asylverfahren zu beschleunigen, hält er diese Regelung für ausreichend. Außerdem gehe es darum, nicht zusätzliche Spannungen am ohnehin angespannten Arbeitsmarkt zu erzeugen.

Koalitionsklima "stark verbessert"

Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit werde es wahrscheinlich finanziell "kleine Überschreitungen" beim Leistungssegment geben, meinte der Sozialminister. Für die Förderungen gibt es nicht mehr als den vereinbarten Fixbetrag von rund einer Milliarde. Für Ältere Arbeitnehmer hofft Hundstorfer, dass sich die Sozialpartner bis Jahresende auf den geplanten Einstell-Bonus einigen. Dieser hänge zusammen mit dem geplanten Bonus-Malus-System, gegen das von Seiten der Wirtschaft noch Widerstand kommt.

Das Klima in der Koalition hat sich nach Einschätzung Hundstorfers "stark verbessert". Seiner Meinung nach wird die gute Stimmung auch "sehr lange anhalten", weil man sich vorgenommen habe, die anstehenden Themen gemeinsam abzuhandeln.

Hundstorfer schweigt zu Zukunftsplänen

Überzeugt ist der Hundstorfer davon, dass sein Parteichef Werner Faymann am SPÖ-Parteitag im November mit einen höheren Prozentsatz wiedergewählt werden wird als mit den 83 Prozent vom letzten Mal. Er glaubt auch, dass die Landtagswahlen im kommenden Jahr für die SPÖ besser laufen werden als zuletzt in Vorarlberg, wo die SPÖ nur noch einstellig ist. Bei seinen Vorarlberger Parteifreunden geht er davon aus, dass sie einen "wirklichen Neubeginn" hinlegen werden.

Zu seiner persönlichen Zukunft gab sich Hundstorfer wortkarg. Zu den Spekulationen, die vom Wiener Bürgermeister über den Bundespräsidenten bis zum Bundeskanzler reichen, wollte er "kein Wort" sagen. Er verwies nur darauf, dass er als Sozialminister jetzt einen "tollen Job" habe.

Opposition kritisiert Sozialminister

Für die FPÖ bot er "ein Bild der personifizierten Hilflosigkeit" und für die Grünen hat er sich als "dermaßen visionsloser Politiker gezeigt, dass es beinahe schon weh tut".

Nach Ansicht von FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl musste Hundstorfer zugeben, dass bei der Regierungsklausur zur Steuerreform nichts Substanzielles vereinbart wurde. Weder das tatsächliche Entlastungsvolumen noch die Bedeckung geschweige denn konkrete Maßnahmen seien fix. "Die Ergebnisse sind pure Propaganda ohne Inhalt - und Hundstorfer ist der Moderator dieses Stillstands", meinte Kickl in einer Aussendung. Hundstorfer habe bewiesen, dass die Regierung mit ihrem Latein am Ende sei und so schnell wie möglich zurücktreten solle.

Für die geschäftsführende Team Stronach Klubobfrau Waltraud Dietrich hat die Regierung mit ihrer Klausur beschlossen, Österreich bis 2018 "endzuverwalten". Hundstorfer habe vor laufender Kamera bereits das Wahljahr 2018 herbeigesehnt.

Nach Ansicht der Grünen Sozialsprecherin Judith Schwentner hat sich Hundstorfer der Realverfassung unterworfen, für Haltung oder gar für Visionen sei bei ihm kein Platz mehr. Bei den Themen Steuergerechtigkeit und Bildung sei der SPÖ-Minister schon so sehr auf Kompromisse aus, "dass man gar nicht mehr weiß, wofür er als Sozialdemokrat überhaupt steht". Bei der Mindestsicherung hielt Schwentner Hundstorfer vor, nicht bereit zu sein, verbindlichere Regelungen mit den Ländern einzugehen. Und für Asylwerber sei der Sozialminister nicht bereit, den Erlass des früheren Ministers Martin Bartenstein (ÖVP) aufzuheben, der ihnen die Arbeit verbietet.

Auch für SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak ist es eine "herbe Enttäuschung", dass Hundstorfer nicht bereit ist, den Arbeitsmarkt für Asylwerber zu öffnen. (APA, 28.9.2014)