Massierende Möbel: Als Tänzerin der Welten erklimmt Doris Uhlich diesen präparierten Tisch, der ihren Körper in Vibrationen versetzt.

Foto: Silveri

Wien – Eine kraftvoll wirkende Tänzerin in grauem Sport-Top, schwarzen Hosen und hochschaftigen Stiefeln. Ein niedriger Tisch, zwei Männer mit ein wenig Elektronik vor sich: Mehr braucht es nicht für ein Experiment, das die österreichische Choreografin Universal Dancer nennt. Jetzt zeigt sie dieses Wagnis im Brut Theater Künstlerhaus als Uraufführung ihres neuen Solostücks.

Die Tänzerin ist Uhlich selbst. An die Unterseite des etwa einen Quadratmeter messenden Tischs sind zwei Geräte montiert. Sobald das erste eingeschaltet wird, beginnt sich darin eine Metallstruktur horizontal zu drehen, die einem Ventilator ähnelt. Uhlich legt ihren Körper auf die Tischplatte. Die Rotation verstärkt sich. Das Möbel beginnt zu wackeln, und das zweite Gerät versetzt ihn in eine zusätzliche vertikale Vibration. Dieser Tisch ist auch Podest, ist auch Bühne-auf-der-Bühne.

Elektronische Bass-Schläge weiten sich zu coolen Sounds aus. Technobeats. Die Tänzerin kommt hockend auf die Beine. Es scheint, als wollte sie den Tisch zureiten. Sie versetzt ihrem Körper kraftvolle Bewegungspulse, stellt sich auf das bockende Gestell, hoch aufgerichtet, wie in Trance, den Blick nach oben gerichtet. Das hat Pathos.

Tanz-Aficionados sehen sich an Kris Verdoncks Dancer #2 erinnert, dessen Auftritt im Brut Künstlerhaus bei Imagetanz 2010 behördlich zensiert wurde: ein röhrender Automotor ähnlich jenen, die der Salzburger Hubert Lepka 1989 als 108 EB von vier Tänzern reiten ließ. Eine weitere Referenz wäre Gaëtan Rusquets brillante choreografische Installation Meanwhile vergangenen Sommer bei Impulstanz: Auf vibrierenden Tischen wurden da Architekturen errichtet, die mit der Zeit einstürzten.

Für die Tänzerin in den unendlichen Weiten des Weltraums ist der Theaterraum das "Epizentrum einer sich ausbreitenden Bewegung", und der Körper das "Epizentrum aller Bewegungen, die von uns ausgehen". Mehr Pathos. Ganz im Widerspruch zu der Komik im Stück: dem kleinen Rütteltisch mit seinen Maschinchen, die Uhlichs Körper durchmassieren wie eine selbstgebastelte Power-Plate (ein in Fitness-Studios beliebtes Trainingsgerät). Mit zurückgenommener Stimme sagt dieser Körper einen Songtext auf: "I have an idea that you are here..." Die Nummer stammt von dem Hamburger Electro-House-Duo Digitalism und titelt Idealistic.

Nach "Idealismus und Opulenz" sucht Uhlich, wie sie schreibt, "in einer Zeit, in der man auf bessere Zeiten wartet". Eine Welle wolle sie starten, heißt es im Programmtext, und "die Welt aufrütteln". Wie die Tänzerin aber ihr Fleisch rütteln lässt, wie sie mit dem Tisch ein Rodeo veranstaltet, wie sie mit einem Song arbeitet, dessen Video die Geschichte von einer eingebildeten Liebe erzählt, und wie sie die Bühne in eine House-Musik-Kapelle verwandelt – all das hat einen Subtext, der das genaue Gegenteil verrät.

Ironisch, kalt (respektive "cool") und monomanisch kommt dieses Aufrütteln daher. Als Witz wirken große Wörter wie "universal" und "Epizentrum" in dieser One-Woman-House-Disco vor allem, wenn der Tisch am Ende um sich selbst pirouettiert und dabei das Stromkabel für seine Maschinchen ordentlich um seine Beinchen wickelt. Oder wenn Uhlich kurz davor so im Lichtkegel steht, dass sie gar nicht mehr verdeutlichend "Beam me up, Scotty" zu sagen braucht, bevor das Stroboskoplicht ihren Körper auflöst.

Von dieser Enterprise geht Uhlich ganz so wie in ihrem früheren Solo Rising Swan ab: mit bedeutungsvollem Blick ins Publikum an demselben vorbei. Als apokalyptische Tänzerin, die gerade beeindruckend gezeigt hat, was eine Ambivalenz ist. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 27.9.2014)