Moskau – Eigentlich wollte Andrej Makarewitsch im Moskauer Haus der Musik "Jiddish Jazz" spielen, doch dann hatte der berühmte russische Rockbarde den Blues: Als er sich nach ein paar Liedern an das Publikum wenden wollte, standen auf Kommando in den ersten Reihen mehrere junge Männer auf, sprühten Pfefferspray in den Raum und skandierten "Verräter, raus aus Russland". Dann verließen sie fluchtartig das Konzerthaus, wobei sie dutzende Flugblätter hinterließen, auf denen sie Makarewitsch als Kollaborateur mit der ukrainischen Führung beschimpften.
Die Polizei hat Ermittlungen wegen des Vorfalls eingeleitet. Nationalbolschewisten aus der nichtregistrierten Partei "Anderes Russland" sollen sich zu dem Vorfall bekannt haben, doch es geht nicht um die Attacke einer Randgruppe gegen Makarewitsch: Seit seinem Auftritt in der Ukraine ist der Leadsänger der Gruppe Maschina Wremeni (Zeitmaschine) einer regelrechten Hetzkampagne der russischen TV-Medien ausgesetzt, die an "gute alte Zeiten" aus dem Kalten Krieg erinnert.
Gezielt wird derzeit von Offiziellen und Medien gegen alles und jeden Stimmung gemacht, der nicht in Reih und Glied schreitet, sei es gegen Teilnehmer einer Antikriegsdemo in Moskau oder gegen Prominente, die sich gegen die Kremlpolitik positionieren.
Aus der Duma stammt der Vorschlag, Makarewitsch alle gesellschaftlichen Ehrungen abzuerkennen. Die Duma hat nun auch die Einschränkungen gegenüber ausländischen Besitzern von Medien beschlossen. Auf maximal 20 Prozent wird deren Anteil zurechtgestutzt, neue Publikationsorgane dürfen sie nicht gründen. Gegenüber der ursprünglichen Initiative wurden nur die auf Basis internationaler Verträge gegründeten Medien aus dem Gesetz herausgenommen. Das betrifft den GUS-Sender Mir und eine russisch-weißrussische Zeitung.
Auch in diesem Fall spielt die Angst vor einer "fünften Kolonne" eine wichtige Rolle. Der neue Vorsitzende des Medienausschusses Leonid Lewin begründet die Notwendigkeit des Gesetzes mit einer möglichen "Druckausübung" ausländischer Eigentümer auf die Position russischer Medien.
Patriotismus ist in Mode
Während das offizielle Moskau auf die vom Westen verhängten Einreisebeschränkungen gegenüber eigenen Beamten mit einer spiegelgleichen Aktion reagierte und die deutsche Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms am Moskauer Flughafen abblitzen ließ, wurde zugleich inoffiziell in Moskau eine "modische Antwort" auf die Sanktionen organisiert. Im Rahmen einer Umtauschaktion werden bis zum 6. September 30.000 "patriotische" T-Shirts an jene Moskauer verteilt, die alte Hemden mit englischen Sprüchen dafür abgaben.
"Topol fürchtet keine Sanktionen" oder "Sanktionen? Bringt meine Iskander nicht zum Lachen" steht beispielsweise auf den T-Shirts, in denen schon Ex-Boxer Nikolai Walujew und Schlagersängerin Anna Semenowitsch posierten. Topol ist das russische Wort für Pappel, steht aber auch für eine russische Interkontinentalrakete, Iskander hingegen für eine Kurzstreckenrakete. Militarismus und Patriotismus rücken wieder eng zusammen. (André Ballin, DER STANDARD, 27./28.9.2014)