Die Erfolge und Leidensstationen des Thomas Morgenstern.

Salzburg - Es war wohl bis auf weiteres sein letzter Medienauftritt dieser Größenordnung: Freitagmittag hat Thomas Morgenstern in Salzburg bekanntgegeben, was am Abend davor ohnehin schon in allen Zeitungen gestanden ist. Der bald 28-jährige Kärntner hat in einem der Renommierbauten seines Sponsors - im Hangar 7 am Salzburger Flughafen - seinen Abschied von der Skispringerei ganz offiziell bestätigt.

Dem ORF war Morgenstern sogar eine Livesendung wert. Auf diesen Aufmerksamkeitspegel hatte es Michael Spindelegger bei seinem Rücktritt nicht gebracht. Der ORF hatte damals keinen Ü-Wagen bereitstellen können. Spindelegger war immerhin Finanzminister, Vizekanzler und Chef der Volkspartei. Morgensterns Abschied nach zwölf Jahren professionellem Skispringen kam freilich nicht ganz so überraschend. Der Termin war avisiert.

Stürze als Auslöser

Auslöser für den Rückzug Morgensterns waren die zwei schweren Stürze in der vergangenen Saison. Nach jenem am Kulm war er an Kopf und Lunge schwer verletzt. Beide Unfälle hatten ordentlich am Selbstvertrauen genagt.

Er fühle sich zwar sehr gut und sei gesund, aber "die letzten zehn Prozent, die du zum Schluss noch brauchst", die hätte er nicht mehr über die Schanze gebracht, sagt Morgenstern. Wenn man mit dem Gefühl oben sitze, "jetzt könnte mir die Bindung aufreißen", seien das schwierige Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein.

Seine Motivationslage könnte man freilich auch noch ganz anders beschreiben: 23 Weltcupsiege, dreimal Olympia-Gold, einmal Olympia-Silber, achtmal WM-Gold, zweimal WM-Silber, zwei Gesamtweltcupsiege und einmal die Vierschanzentournee. Was kann da noch kommen?

Essen, was er will

ÖSV-Sportdirektor Ernst Vettori fasste die Gefühlslage Morgensterns in eigene Worte: Er könne aufhören, weil er alles erreicht habe. Die Bürde des Spitzensportes habe er nicht mehr, und - bei den Springern immer ein Thema - Thomas Morgenstern könne in Zukunft essen, was er wolle.

Und so waren die Sprünge der vergangenen Wochen die letzten Male am Bakken. Endgültig beschlossen habe er sein Karriereende Donnerstag vergangener Woche. Beim Mediengespräch am Freitag machte er dann auch klar, wo in Zukunft seine Prioritäten liegen: Seine kleine Tochter Lilly sei die Erste gewesen, der er es erzählt habe. Sie werde ihn nie Ski springen sehen, habe er ihr gesagt.

"Tunnelblick"

Grundsätzlich habe er die Entscheidung natürlich allein getroffen, berichtete am Freitag ein nachdenklicher und erleichtert wirkender Morgenstern. Auch wenn seine Mutter vielleicht doch ein klein wenig Anteil gehabt haben dürfte: Zum Weitermachen habe sie ihn jedenfalls nicht überreden wollen.

Über seine berufliche Zukunft hat sich der Ex-Springerstar noch wenig Gedanken gemacht - zumindest keine, die er der Öffentlichkeit erzählen will. Er habe bis jetzt "einen Tunnelblick fürs Springen" gehabt, da habe es keinen "Plan B" gegeben. Co-Kommentator bei einem Sportsender? Ja, das könnte ihn vielleicht interessieren. Auch die Fliegerei - der Skispringer hat einen Pilotenschein - könnte ein Thema sein.

Fürs Erste aber ist er vielleicht auch einfach nur froh, dass er sich die eine oder andere Reporterfrage nicht mehr anhören muss. Was er denn am 28. Dezember dieses Jahres machen werde, wollte einer am Freitag im Hangar 7 noch wissen. Es hat etwas gedauert, bis der Schmäh mit dem Datum und dem Springen in Oberstdorf bei allen Journalisten der Abschiedspressekonferenz angekommen ist.

Morgenstern selbst blieb jedenfalls souverän: Da habe die Tochter seiner Tante Geburtstag, er habe sich vorgenommen, mit ihr zu feiern. Allein für diese Antwort gebühren ihm zum Abschied noch einmal die besten Haltungsnoten. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 27./28.9.2014)