Käser Angel Lopez Fidalgo aus der galicischen Kleinstadt Betanzos führt den Passagieren der MS Europa 2 vor, wie aus Milch Frischkäse wird

Die Einwohner Madrids fahren gerne in den Nordwesten Spaniens auf Sommerfrische. "Hier ist es immer etwas kühler", sagt der deutsche ReiseführerReinhardt Lorenz, der in die autonome Region Galicien geheiratet hat. Von der Provinzhauptstadt A Coruña bewegt sich der Bus 25 Kilometer in die Kleinstadt Betanzos, wo an Käse interessierte Touristen – darunter die Passagiere des Luxusliners MS Europa 2 - durch ein mit Stein umrahmtes Eingangstor gelotst werden. Angel Lopez Fidalgo begrüßt die Gäste, sein Kompagnon Juan Ruibal Wilar begleitet die Ankunft mit einem traditionell galicischen Volkslied auf dem Dudelsack.

Foto: Eva Tinsobin

Gegenüber der Käserei findet sich das Delikatessengeschäft, das seit Generationen im Besitz der Familie Fidalgo ist.

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Das Auge gewöhnt sich an die Dunkelheit, der Raum mit hohen Weinregalen, alten Holztischen und –bänken nimmt Konturen an. Angel Lopez Fidalgo beginnt über Käse zu sprechen und erwärmt währenddessen zehn Liter frische, nicht pasteurisierte Kuhmilch auf 32 Grad Celsius.

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Der Käser ist in seinem Element. Seit 70 Jahren widmet sich seine Familie der Herstellung von Käse, er selbst hat es bis zum Käsemeister gebracht. - Ein Handwerk, das in Galicien sorgfältig vermittelt wird: Fünf Jahre dauert die Lehrzeit, ein weiteres Jahr braucht es bis zur Meisterprüfung. Doch Don Fidalgo hat noch weitere Professionen: Neben der Käserei und dem Delikatessengeschäft betreibt er eine Landwirtschaft mit Viehzucht und verdingt sich als Buschauffeur.

Vier verschiedene Kuhmilch-Käsesorten haben in Galicien Tradition und verfügen über ein Gütesiegel: Der Queso Cebreiro gleicht einer Kochmütze und ist ein Frischkäse, der ursprünglich vom französischen Teil des Jakobswegs nach Galicien gekommen ist. Zwölf Stunden lang reift er in einem Tuch.

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Vom Hartkäse Arzua-Ulloa gibt es zwei Varianten: eine in Kegelform und eine, fünfzehn Tage lang gereifte, in noch kegeliger Form. Letzter wird "Tetilla" genannt - in deutscher Übersetzung "Busenkäse".

Der San Simon wird 60 Tage lang auf Birkenholz geräuchert. Die Rinde kann man mitessen. Aus Birkenholz sind übrigens auch die Schuhe des Son Angel gefertigt – ebenfalls eine galicische Tradition.

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In Angel Lopez Fidalgos Käserei sind zehn Personen beschäftigt, mit der Herstellung von 2.000 Kilogramm Käse im Jahr zählt sie zu den kleinen Betrieben der Region.

Frischkäse ist ein Urprodukt, aus dem sich bei längerer Reifung unterschiedliche Käsesorten entwickeln lassen, das aber auch für sich genommen köstlich schmeckt. Damit die warme Milch zu Käse gerinnt, rührt Angel Lopez Fidalgo eine kleine Menge pflanzlicher Enzyme ein.

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Diese sind in Labkräutern enthalten, aber auch im Saft von Papayas, Feigen oder einer distelartigen Pflanze der Gattung Cynara cardunculus. In ihren Eigenschaften gleichen sie dem tierischen Lab aus dem Magen junger Wiederkäuer, das hierzulande verwendet wird, verleihen dem Käse aber laut Fidalgo ein spezielles Aroma. Zum Einsatz kommen die pflanzlichen Enzyme in Ländern wie England, Portugal oder hier in der spanischen Region Galicien.

Mindestens 20 Minuten lang wird die Lab-Milchmischung mit einem sauberen Tuch abgedeckt.

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"Optimal ist eine Stunde", sagt Fidalgo.

Der Käser testet die Konsistenz der Masse, das pflanzliche Enzym hat die Milch bröckelig gemacht.

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Durch das anschließende Durchrühren mit der Hand wird der Käse immer fester, da sich die Molke von den Feststoffen trennt. Fidalgo gibt noch etwas Salz hinzu.

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Mit der Molke füttert der Käser seine Tiere, oder er verkauft sie an die Pharmaindustrie, wo sie unter anderem in Hautpflegeprodukten zum Einsatz kommen. "Erhitzt man die Molke auf 80 Grad Celsius, wird sie zu Topfen", erklärt er, "allerdings bleiben dabei nur sechs Prozent der Masse übrig".

Ähnlich verhält es sich bei der Käseherstellung.

Foto: Eva Tinsobin

Aus zehn Litern Milch entsteht ein Kilogramm Käse. "Ohne eigene Viehzucht zahlt sich das nicht aus", sagt der Käser-Meister. Bei ihm erfolgt die Herstellung semiindustriell: Die Käserohmasse wird automatisch in Formen gepresst und mindestens vier Tage lang in der "kalten Kammer" gelagert: ein möglichst trockener Kühlraum, in dem die Feuchtigkeit aus dem Käse gezogen wird. Je nach gewünschter Konsistenz und Aroma gestaltet sich die Lagerung kürzer, dann ist das Ergebnis weicher Frischkäse, oder länger - dann erhält man würzigen Hartkäse.

Zunehmend trennt sich durch das beständige händische Durchmischen die feste Masse von der Molke. Fidalgo presst den Frischkäse in kleine Schälchen.

Foto: Eva Tinsobin

Die Frischkäsehalbkugeln stürzt er auf einen Teller und schneidet sie in Würfel.

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Der Käse ist noch warm, schmeckt mild und leicht süß. Dazu wird frisches Weizen-Roggenmischbrot gereicht und aus kleinen Tonschüsseln Wein von regionalem Anbau getrunken, wie etwa Vin Artabra von der Rebsorte Godello. Falls es was Stärkeres sein soll, hat Fidalgo auch Aguaente auf Lager. Das "Feuerwasser" ist bei uns als Tresterbrand bekannt.

Der erfahrene Käser lässt sich immer wieder aufs Neue verblüffen. "Es lebt!" ruft er und demonstriert das Zusammenspiel verschiedener Mikroorganismen: "Wenn wir ein paar Minuten warten, verbinden sich die Frischkäsewürfel wieder zu einer Masse.

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Während des Essens, Trinkens und Wartens auf das Ergebnis der Emulgierung wird Lebendigkeit auch anderswertig zelebriert: Juan Ruibal Wilar hat den Dudelsack gegen ein Akkordeon getauscht und spielt einen Muneira.

Der "Mühlstein"-Tanz wurde – nomen est omen – einst neben galicischen Mühlen getanzt; über Kreuz und derart exzessiv, dass Staat und Kirche ihn verbieten lassen wollten. Doch die Bewohner der autonomen spanischen Region riefen zum Widerstand. So haben sie sich ihre Lebensfreude in getanzter Form bis heute bewahrt.

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(Eva Tinsobin, derStandard.at, 27.9.2014)

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